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Philosophisch-ethische Rezensionen
(Erscheinungsdatum der rezensierten Bücher: 20. und 21. Jahrhundert)

Daniel Schreiber, Zuhause. Die Suche nach dem Ort, an dem wir leben wollen, München 2017

Der Autor geht den Fragen nach was ein Zuhause eigentlich ist und warum es wichtig ist und erzählt dabei von seiner eigenen Suche nach einem Zuhause. Dies tut er in dem er munter aus seinem Leben plaudert: Von seiner unglücklichen Kindheit in der ehemaligen DDR, wo er von Mitschülern wegen seiner etwas femininen Art gehänselt und insbesondere von einer Lehrerin gequält worden ist, der es Spaß gemacht hat, immer ein Kind in jedem Jahrgang ins Kinderheim zu überweisen, in der Meinung es sei schwierig. Und das wollte sie auch mit dem Autor tun, wenn auch letztlich vergeblich. Er erzählt dann von seinem Gefühl des Ausgegrenzt-Seins, weil er schwul ist und Probleme damit hatte, seine Sexualität auszuleben. Dann erzählt er von seinem Stipendium, dass ihn nach New York führte, wo er, so lese ich seinen Bericht, ein ziemlich wildes Leben führte und auch Probleme mit dem Alkohol bekam. Später wechselt er sein Betätigungsfeld nach London und später dann nach Berlin. Ein etwas ruheloses, aber beruflich, so mein Eindruck, ein doch ziemlich erfolgreiches Leben, zu dem auch regelmäßige Besuche bei diversen Psychotherapeuten gehören. Sein Leben betrachtend reflektiert der Autor immer über sein Thema, auch indem er passende philosophisch-psychologische Lektüre erwähnt und super kurz in den Zusammenhang miteinbringt. Gut gefällt mir, wenn er liebevoll und manchmal auch durchaus poetisch die Orte beschreibt, an denen er längere Zeit lebte, etwa die Straßen, Parks und Häuser Londons. Das große Manko aber an diesem Buch ist meiner Meinung nach, dass ihm das bei Menschen nicht gelingt. Die einzige Person die dem Leser näher gebracht wird ist eine verstorbene Großmutter mit Flüchtlingshintergrund und diese kurze Buchpassage ist denn auch für mich mit die interessanteste überhaupt. Die anderen Bezugspersonen verbleiben schemenhaft und im Grunde anonym. Das ist verständlich, denn womöglich wollte der Autor ihm liebe Personen nicht so bloßstellen, wie er das bei sich selbst getan hat. Fakt ist aber, dass dadurch seiner Erzählung eine ganze Welt wegbricht. Denn ob ich mich Zuhause fühle oder nicht, oder warum ich vielleicht gar kein Zuhause finden möchte, das zeigt sich eben vor allem daran welchen Eindruck andere Personen bei einem hinterlassen und wie man versucht diese zu fassen. Und natürlich auch indem man sich überlegt wie andere von einem Denken. Diese ganze Atmosphäre geht den Buch völlig ab. Dass hier Bezugspersonen einfach nicht liebevoll mit ihrer Persönlichkeit und den Interaktionen beschrieben werden bedingt dann auch ein Stück weit mit, dass das Buch geradezu die ausbuchstabierte Ernsthaftigkeit ist: Intensive Beschäftigung mit sich selbst während die Menschen um einen herum im Nebel verbleiben. Auch gelingt es dem Autor zu keiner Zeit wenigsten ein bisschen über seine Probleme zu lächeln. Ein Woody Allen ist er also nicht. Im Gegenteil kann ich mich gar nicht erinnern, wann ich das letzte Mal ein so humorloses Buch gelesen habe. Schließlich und endlich kann ich zwar irgendwie schon seine Suche nach einem Zuhause nachvollziehen und seine Reflexionen darüber sind auch nicht gerade platt, aber der Zuschnitt auf sein eigenes Leben in dieser Form bedeutet auch eine verengte, einseitige Perspektive. Denn die Lebenswelt des Autors ist mir im Grunde fremd und seine Erzählung ist zu oberflächlich um mich zu fesseln, bei aller vorhandener philosophischer Reflexion.

Jürgen Czogalla, 01.07.2017.