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Philosophisch-ethische Rezensionen
(Erscheinungsdatum der rezensierten Bücher: 20. und 21. Jahrhundert)

Andersens Darstellung der Ethik von Løgstrup

Løgstrup gehört der Schule der existenzialen Phänomenologie an. Seine Ethik betont die Interdepenz (Abhängigkeit) in der Beziehung zu Anderen: Alle menschlichen Beziehungen beinhalten das Ausüben von Macht. Wenn wir mit anderen Menschen in Kontakt treten, dann liefern wir uns auch immer ihrem mögliche Hohn, Spott und Drohungen aus. Der Andere kann also seine Macht gegenüber uns mißbrauchen. Moralische und rechtliche Normen sollen diesem möglichen Machtmißbrauch wehren. Außerdem gibt es eine Ethik der Zusammenarbeit, moralische und rechtliche Normen können die Kooperation von Menschen unterstützen. Ein dritter Bereich sind die biologisch bedingten Relationen, so ist man etwa das Kind von Eltern oder gründet selbst eine Familie. Die Normen in allen drei Bereichen sind in der Interpretation der Ethik von Løgstrup durch Andersen relativ und veränderbar. Er hebt aber ein grundlegendes ethisches Phänomen hervor, nämlich die ethische Forderung, die wiederum die Grundlage der persönlichen Machtausübung ist:  Entweder kann ich meine Macht dazu benützen, nur meine eigenen Interessen durchzusetzen oder aber ich kann auf den Anderen Rücksicht nehmen, ich kann zerstören oder betreuen. Løgstrup würde nun meinen, dass in der Alternative zerstören oder betreuen der Anspruch liegen würde selbstlos zu handeln. Die Forderung selbst sei stumm und nicht konkret, wir selbst müssten je entscheiden, was für den Anderen gut ist. Die Forderung als absolut gesetzt sei aber unerfüllbar, zum Dasein gehöre notwendig Schuld. Allerdings melde sich die Forderung erst, wenn die Begegnungen mit dem Mitmenschen im Alltag nicht schon vorher spontane Daseinsäußerungen (z.B. Barmherzigkeit) hervorgerufen hätten, wobei aber meistens die Daseinsäußerungen einträten. Nun die theologischen Implikationen: Das Gebot zur Nächstenliebe, das Jesu aufstelle, sei schon in der Schöpfungsordnung gegeben, die Forderung ist sozusagen ein Naturgesetz, was durch die grundlegenden Bedingungen menschlicher Gemeinschaft und menschlichen Daseins vorgegeben sei, eine gegenseitige Abhängigkeit der Menschen untereinander bestünde nun einmal, sie ist von Gott geschaffen und geschenkt mit all ihren Entfaltungsmöglichkeiten. Für Løgstrup gebe aber der christliche Glaube keine Grundlage für konkrete Handlungsanweisungen, was bleibt ist die stumme Forderung nach selbstloser Nächstenliebe. Die konkreten Normen etwa des Neuen Testamentes ließen sich nicht auf die Gegenwart übertragen. Ansonsten gelte, dass die Argumente für eine gute Handlung in der Schöpfungsordnung liegen und also allen Menschen zugänglich und gemeinsam sind.

Jürgen Czogalla

30.08.2009