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Philosophisch-ethische Rezensionen
(Erscheinungsdatum der rezensierten Bücher: 20. und 21. Jahrhundert)

Rainer Erlinger: Warum wir tolerant sein sollten

Rainer Erlinger nennt folgende Gründe:
  1. Weil man die Dinge nicht ändern kann (Beispiel: Man kann fremden Glauben ohnehin nicht ändern, höchstens Missionierungsversuche unternehmen, also muss man tolerieren, ein Gedanke, so weiß Erlinger, der auf John Locke zurückgeht).
  2. Aus praktischen Gründen und politischer Vorsicht, wenn dadurch ein gutes Miteinander ermöglicht wird. Dann ist Tolerieren das kleinere Übel, wenn Nicht-Tolerieren ansonsten die größeren Übel verursachen würde.
  3. Aus Gründen der Wechselseitigkeit: Wenn ich toleriere kann ich erwarten, dass auch du mich tolerierst. Dieses Prinzip, so Erlinger, sei immer dann besonders sinnvoll, wenn sich etwa zwei gleich große Gruppierungen gegenüberstehen würden. Die Toleranz ist Grundvoraussetzung für die Demokratie.
  4. Aus Respekt vor dem Anderem. Das setzt voraus, dass ich anerkenne, dass der Andere das (Menschen-) Recht dazu hat, eine eigene, von mir unabhängige Meinung zu vertreten. Das gehört zu seinen Freiheitsgrundrechten. Der Andere ist genauso viel wert wie ich (Prinzip der Gleichheit). Der Andere wird als Person respektiert und seine Ansichten toleriert.
  5. Aus Wertschätzung des Anderen. Die Person des Anderen wird nicht allein respektiert und seine Meinungen toleriert, sondern seine Ansichten werden sogar als ethisch wertvoll geschätzt, selbst dann, wenn sie den eigenen Ansichten nicht entsprechen (Wertepluralismus). Erlinger weist darauf hin, dass diese Begründung der Toleranz umstritten ist.
  6. Toleranz als Mittel zur Wahrheitsfindung. Indem verschiedene Ansichten sozusagen gleichberechtigt vorgebracht werden und Argument auf Gegenargument folgt, gewinnen die Positionen selbst an Tiefe und ermöglichen womöglich ein Synthese, bzw. bewirken unter Umständen eine Meinungsänderung oder eröffnen neue Perspektiven. Der Widerstreit unterschiedlicher Ansicht kann so auch als Gewinn begriffen werden, der Widerstreit der Meinungen kann helfen besser zur Wahrheit zu gelangen.

Jürgen Czogalla

01.08.2012