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Philosophisch-ethische Rezensionen
(Erscheinungsdatum der rezensierten Bücher: 20. und 21. Jahrhundert)

Martha Nussbaum: Ideal und Realität

Ideale sind für Nussbaum immer auch etwas Reales, denn auch wenn sie ein Streben anleiten, das letztlich nie ganz verwirklicht werden kann, so bieten sie doch auch immer die Grundlage für ein rechtmäßiges Handeln. „Meinungsfreiheit“ und „Religionsfreiheit“ sind zum Beispiel solche Ideale, die nie vollkommen verwirklicht werden können, dienen aber immer wieder als Grundlage für reales Handeln, zur Heranbildung realer Menschen und für Fortschritte bei drängenden Problemen. Außerdem zeichnet sich für Nussbaum ein gutes Ideal immer dadurch aus, dass es das menschliche Leben so nimmt, wie es ist, und erkennen lässt, wie reale Menschen wirklich sind. Immer dann, wenn Menschen versuchen, die Grenzen des Menschseins zu überschreiten, begeben sie sich nach Nussbaum auf falsche Wege. Unsere Ideale müssen mit der Realität unseres menschlichen Körpers und unserer menschlichen Psyche verbunden bleiben und widerspiegeln, dass es um Fortschritt, Schönheit und das Gute geht, wenn sie uns gut tun sollen. Schönheit und Gutheit sind nicht etwas Unwirkliches – dies anzunehmen führt für Nussbaum direkt in den Zynismus -, sondern Dinge, die sich auch z. B. in unserer Geschichte immer wieder zeigen, in den vielen sozusagen erfüllten schönen Träumen. Als Beispiele nennt sie etwa die Geburt der USA und die der indischen Demokratie, aber auch die vielen Kämpfe gegen Vorurteile und Hass, die uns voranbringen. Helden wie etwa Martin Luther King, Nehru, Gandhi oder Lincoln sind reale Menschen und keine Träume. Trotzdem können wir sie zugleich auch als große Träumer bezeichnen, die aber geschickte Führungsgestalten waren und denen es letztlich gelang, ihre Träume zu einer einigermaßen funktionierenden Realität werden zu lassen.

Jürgen Czogalla

15.10.2014