![]()  | 
                Philosophisch-ethische Rezensionen
             | 
  | 
Hans Albert, Traktat über kritische Vernunft, Tübingen 1991, 5. AuflageIn seinem  Buch kritisiert Albert die Methodologie des klassischen Rationalismus, die  seiner Meinung nach bis in die heutigen Theorien der einzelnen
    Wissenschaften  fortwirkt: Nämlich das Voraussetzen eines zureichenden Grundes, eines  unbezweifelbaren archimedischen Punktes der
    Gewißheit auf dem dann alle anderen  Prämissen,  die man so gesichert glaubt, aufbauen. Dabei unterscheidet
    er eine  intellektualistische und eine empirische Variante der Letztbegründung. Erstere  Position meint die Letztbegründung
    durch reine Vernunftsgründe zu finden, letztere durch vorgeblich unbezweifelbare empirische Erfahrung. Der Versuch
    einer Letztbegründung führt allerdings nach Albert schnurstracks in das "Münchausen-Trilemma":
    Entweder man verfängt sich in einem logischen Zirkel, bei dem man über  Deduktion nur zu einer Letztbegründung kommt
    indem man auf schon vorher  getroffene Behauptungen rekurriert, die selber noch nicht begründet worden sind, oder man kommt in einen
    infiniten Regress und frägt immer weiter ad  infinitum nach Gründen und verfehlt so eine Letztbegründung, oder aber man ist
     gezwungen das Begründungsverfahren an einem bestimmten Punkt abzubrechen und  dann dieses Ergebnis als archimedischen Punkt auszugeben.
      Um diesem Trilemma zu  entgehen distanziert sich Albert von diesem klassischen Rationalitätsmodell und  setzt auf einen kritischen Fallibismus.
       Er verzichtet auf die These eines  unbedingt notwendigen zureichenden Grundes und spricht sich dafür aus, dass  alle Thesen als prinzipiell
       falsifizierbar gelten sollen und zwar im Hinblick  auf dadurch möglich werdende
                Problemlösungen. Wissenschaftliche Thesen gelten  so
       nicht mehr als absolut wahr, sondern als prinzipiell überholbar, erreicht  wird nicht die Wahrheit, sondern eine Annäherung hin zur
       Wahrheit, die  prinzipiell unerreichbar bleibt. Albert wendet seinen Standpunkt dann  konsequent auf andere Bereiche aus:
       Auf Ethik, Sozialwissenschaften,  Philosophie, Politikwissenschaft
       und Theologie. Besonders schlecht kommen bei  ihm die Theologen weg. Albert weist schafsinnig und scharfzüngig auf deren
       Immunisierungsstrategien gegenüber Dogmatisierungen hin, die seiner Meinung  nach eine fruchtbare Fortentwicklung verhindern würden,
       einer Fortentwicklung,  der keine absoluten Wahrheiten mehr heilig sind. Denn nach Albert ist uns der  Zugang zu solchen Wahrheiten verwehrt und
       darum führt deren Annahme in die  dogmatische Erstarrung und letztlich in die Wahrheitsferne. Ein moderner  Klassiker kritischen Philosophierens.
        Jürgen Czogalla, 20.09.2009  
  |