Philosophisch-ethische Rezensionen
|
|
Peter Atkins, Über das Sein: Ein Naturwissenschaftler erforscht die großen Fragen der Existenz, Stuttgart 2013
Peter Atkins ist von dem Glauben erfüllt (er spricht einmal in seinem Buch ausdrücklich von seinem Glauben an die wissenschaftliche Methode), dass die wissenschaftliche Methode jedes nur mögliche menschliche Konzept erhellen kann, sei es nun Liebe, Hoffnung, Barmherzigkeit oder die großen Fragen der Menschheit. Mit wissenschaftlicher Methode meint er die Methoden der Naturwissenschaften, die auf öffentlich geteilten, kontrollierten Beobachtungen (Experimente) fundieren und wo angemessen, von der logischen Strenge der Mathematik gleitet und gefördert werden. Er geht sogar soweit zu behaupten, dass diese wissenschaftliche Methode das einzige Mittel wäre, das wahre Wesen der Wirklichkeit zu enthüllen. Dabei bliebe aber unser Staunen über unsere wunderbare Welt erhalten und würde durch diese Methode sogar noch weiter gefördert. Dabei gehe die Naturwissenschaft bei ihrer Erkenntnisgewinnung eine Allianz von sprühender Einbildungskraft mit extremer Vorsicht ein. Der Autor selbst ist überzeugter Atheist, der feststellt, dass es der Wissenschaft nicht, wie er
meint, wie etwa dem Mythos, um Trost zu tun ist, sondern um die Wahrheit: Einen wie auch immer gearteten Trost hätten wir von ihren Erkenntnissen
jedenfalls seiner Ansicht nach nicht zu erwarten. So verstandenes wissenschaftliches Denken ist für ihn ein Destillat des gesunden Menschenverstandes
vereint mit Ehrlichkeit, im Gegensatz zum Mythos, dem es um Unterhaltung gemischt mit Scheinerkenntnissen zu tun sei. Die wissenschaftliche Methode wird
so für ihn zur einwandfreien und festen Grundlage für die Freude an wahrer Einsicht.
Auf dieser Basis ergründet er dann fünf für ihn grundlegende Fragen des Menschen in fünf Kapiteln: „Anfang“, „Entwicklung“, „Geburt“, „Tod“ und „Ende“. Dabei geht er immer so vor, dass er zunächst die mythischen Deutungsversuche unserer Ahnen sehr kurz referiert – und zwar, wie ich es empfunden habe, so, dass sie auch als besonders lächerlich erscheinen und dann den modernen, naturwissenschaftlichen Forschungsstand ausführlicher dagegen hält, den er sicher auch kompetent und durchaus interessant, aber immer doch sehr kurz darstellt, denn das ganze Buch ist ja nur 135 Seiten stark. Man bekommt hier also allerhöchstens einen Überblick geboten, der so auch nicht besonders ausgewogen sein kann. Dabei wird teils ein bisschen ein naturwissenschaftliches Stammtischwissen in griffiger Sprache abgeliefert, teilweise wird es dann, z. B. bei den Themen Reproduktion und Tod (bei Letzterem wird unter anderem die Auflösung des Körpers nach dem Tod genauer zum Besten gegeben), aber so kurz-verwirrend und komplex, dass ich mir zu wenigstens ein paar Abbildungen gewünscht hätte, die das Buch aber leider nicht liefert. Die Grundthese des Buches, die sozusagen alle Seiten durchweht, dass wir nur mit naturwissenschaftlichen Mitteln zum wahren Wesen der Dinge vordringen können, ist meiner Meinung nach denn doch um einiges zu steil – und vor allem ist sie auch unplausibel. Das Buch verschleiert das vor allem dadurch, dass ihm ein wirkliches tieferes Verständnis von dem, was mythologisches Denken ausmacht, fehlt, und platt eins zu eins auf einer Stufe vergleicht, was so ohne Weiteres gar nicht zu vergleichen ist, nämlich Mythos und Wissenschaft. Auch der Erkenntniswert für den Menschen durch Dinge wie Kunst, Literatur, Musik, Religion und etwa auch der Philosophie wird so natürlich vom Autor implizit negiert. Denn letztlich bedarf es meiner Meinung nach denn doch mehr um die Bedeutung unseres Lebens zu erfahren, als nur ins Mikroskop oder ins Teleskop zu schauen und dabei mathematische Gleichungen zu lösen, wenn das auch ganz gewiss unsere Erfahrung bereichern mag. Das ist mir dann beim Lesen dieses Buches auch deutlich ins Bewusstsein getreten (dies aber gerade entgegengesetzt zu den Intentionen des Autors). Jürgen Czogalla, 15.11.2013
|