Philosophisch-ethische Rezensionen
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Fritz Breithaupt, Die dunklen Seiten der Empathie, Berlin 2017Mit Empathie assoziieren wir in der Regel positive Werte: Ein Miterleben mit dem Anderen, dass Ihn letztlich mit seinen Gefühlen und
seinem Leben nicht allein stehen lässt, eine nicht nur verstandesmäßige Teilhabe an der Welt des anderen die uns offen macht für seine Bedürfnisse und Freuden und so
gemeinschaftsfördernd wirkt. Breithaupt geht im Grunde daran diese positive Bedeutung aufzubrechen und mit dunklen Elementen anzureichern, die ich jedenfalls vorher nicht mit dem
Begriff Empathie verbunden habe. So weist er etwa auf die Möglichkeit eines Selbstverlustes hin, wenn empathische Schwingungen im Spiel sind, auf die Möglichkeit, dass Empathie zu
einem Ausdruck von Ressentiment verkommt, auf eine mögliche Schwarz-weiß Malerei, die Empathie befördern könnte oder dass
falsch gerichtete Empathie dazu führen kann, dass wir uns ungerecht anderen Parteien gegenüber verhalten. Schließlich geht er der dunklen Seite der Empathie nach, wie sie etwa in dem
empathischen Sadismus vorliegt, von dem er meint, er sei schon in Ansätzen in der Tragödiendichtung enthalten, geht dann dem empathischen Sadismus nach, der vorliegen kann, wenn wir
andere strafen oder grausam gegen andere sind, oder Formen der empathischen Manipulation unserer Mitmenschen. In einem letzten Kapitel geht er krassen Fehlformen der Empathie nach wie
sie sich im Vampirismus (miterlebtes Aneignen des Lebens eines anderen ohne Rücksicht auf dessen Wohlergehen), den Helikopter-Eltern (Eltern die ihr Kind überumsorgen. Hier wird das
Kind letztlich den eigenen Wünschen gemäß programmiert und so zum bloßen Mittel eines Erlebens degradiert, das sich die Eltern wünschen) und Stalkern zeigt. Dabei geht er aber auch
auf verschiedene Forschungsrichtungen ein und malt deren Bild der Empathie und gibt schließlich auch sein eigenes, anspruchsvolles Modell zum besten. Der Autor kommt schließlich zu
dem Schluss, dass Empathie alleine nicht ausreicht um moralisches Handeln zu befestigen, nach seiner Meinung ist sie vielmehr moralneutral, denn Empathie kann sich seiner Meinung
nach auch bloß als Steigerung eigenen Erlebens unabhängig vom Wohlergehen des anderen manifestieren. Sie wird erst dann moralrelevant, wenn sie mit guten, fürsorglichen Handlungen
verknüpft ist, gepaart mit dem Verständnis, dass man Teil einer Gesellschaft ist. Empathie sollte aber nach Meinung des Autors schon alleine deswegen gefördert werden, weil sie zu
einer erweiterten Wahrnehmung führt. Unser Weltverständnis weitet sich durch sie und wir lernen es dieselbe Situation von verschiedenen Personen und Perspektiven aus zu betrachten.
Damit wird Empathie zu einem Mittel zu einem höherstufigen ästhetischen Empfindens. Empathie bringt uns ständig mit Gefühlen anderer Lebewesen und Menschen in Berührung und steigert
daher auch sehr die Tiefe und Vielfalt menschlicher Emotionen.
Fritz Breithaupt hat ein spannendes Buch geschrieben, das immer wieder auch durchaus mit überraschenden und dabei nicht zu seichten Thesen aufwarten kann. Dabei gelingt es ihm aber, sozusagen auf des Messers Schneide, nicht in das andere Extrem zu verfallen und die Empathie gänzlich zu diskreditieren. Seine Haltung gegenüber der Empathie bleibt, bei allem Aufzeigen ihrer dunklen Seiten, im Ganzen doch positiv. Gut gefallen hat mir besonders, dass er immer wieder Ereignisse aus unserer Gegenwart mit in die Untersuchung einspinnt. So beschäftigt er sich mit Angela Merkels Flüchtlingspolitik und ihrem „wir schaffen das“, genauso wie mit der empathischen Faszination, die offenbar zum Wahlsieg von Donald Trump geführt hat. Also: Klare Lesempfehlung von mir. Lassen Sie sich von Fritz Breithaupt in die (Un-)Tiefen der Empathie entführen!
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