Philosophisch-ethische Rezensionen
|
|
Mara-Daria Cojocaru, Die Geschichte von der guten Stadt. Polititsche Philosophie zwischen urbaner Selbstverständigung und Utopie, Bielefeld 2012Die Autorin stellt in ihrem Buch
Beiträge aus der Philosophiegeschichte vor, die Antworten auf die Frage
liefern, wie man in Städten eigentlich leben sollte. Nach Meinung der
Autorin eignen sich zur Beantwortung dieser Frage insbesondere
Erzählungen, auch utopischer Natur. An eine dafür brauchbare Erzählung
von der guten Stadt stellt die Autorin gut begründete Anforderungen: Sie
soll die für die menschliche Lebensform konstituierenden Praktiken auf
nicht-reduktionistische Weise in den Blick nehmen; sie soll den
Problemfokus auf bestimmte Handlungssituationen unter Einbeziehung
anthropologischer Erkenntnisse setzen und sie soll Herrschaftswissen auf
sensible Art und Weise kritisieren. Nachdem sie in der ersten Hälfte
ihres Buches sozusagen eine Methode ausarbeitet, nicht nur wie eine
solche gelungene Erzählung von der guten Stadt auszusehen hat und wie
man ihre Qualität bewerten kann, sondern auch um überhaupt aufzuweisen,
dass solch eine Erzählung besonders dafür geeignet ist uns darauf
hinzustoßen, wie wir in Städten am besten leben sollten, stellt sie in
der zweiten Hälfte einige solche utopischen Geschichten aus der
Geschichte der Philosophie und Architektur kurz dar und bewertet sie:
Platons „schöne“ Stadt aus seiner „Politeia“, Robert Owens und Charles
Fouriers Vorstellung von einem gelungenen städtischen Leben, Le
Corbusiers Vision von einer „Ville Radieuse“ und schließlich eine sehr
aktuelle Erzählung von
Friedrich von Borries von zukünftigen Städten als
Überlebenskapseln und damit den Übergang von der Vorstellung eines
gelungenen städtischen Lebens hin zu der Vorstellung der Stadt als
Überlebensort. Dabei werden insgesamt die Entwicklungslinien von der
Idee der guten Stadt von der Antike bis hin zum Jetzt - im Grunde sehr
kurz und stark kondensiert - mit dargestellt.
Das Buch ist offensichtlich die Dissertation der Autorin, die sie bei Prof. Nida-Rümelin eingereicht hat. Inwieweit sie für dieses Buch vielleicht noch einmal überarbeitet wurde, weiß ich natürlich nicht, ich sehe nur, dass dieses Buch nach wie vor den Charakter einer Dissertation hat. Das Zielpublikum ist denn auch ein spezialisiertes Fachpublikum, denn in der Tat wird man mit dem Buch ohne Vorkenntnisse nicht glücklich werden. Ich zum Beispiel habe das Buch erworben, weil ich das Thema von der guten Stadt nicht nur irgendwie außergewöhnlich finde (es gibt dazu nicht viel aktuelle philosophische Literatur), sondern auch noch für sehr wichtig halte. Ich war sozusagen hungrig nach dem Thema und erwartete einen vollen Teller mit deftiger Kost und habe dann sozusagen ein winziges Feinschmeckermenüchen erhalten, extraordinär zubereitet und für den, der eigentlich schon gesättigt ist, ganz interessant mit zahlreichen Anspielungen und feinen Nuancen zur Spezialisten-Forschung – nur satt werde ich persönlich leider davon nicht, da kann man als Nicht-Spezialist schon ein Bisschen verhungern bei so einem Menü: Einfach weil die Autorin vieles auf den „unteren“ Stufen als Wissen voraussetzt und gleich von Anfang an schon in ziemlich luftigen Höhen herumhangelt. Ganz sicher hat sie für ihre Arbeit – und ganz bestimmt auch durchaus verdienter Maßen – eine tolle Promotionsbewertung erhalten, meine Erwartung an ein gutes philosophisches Buch hat sie aber nicht erfüllt. Dafür hätte die Autorin ihr Buch im besten Sinne „sympathischer“ gestalten müssen. Das Buch ist nicht nur voll von ziemlich haarigen Satzkonstruktionen und Formulierungen, sondern auch noch mit einer Unzahl nicht übersetzten Zitaten in englischer und später auch in französischer Sprache gespickt; ohne gute Sprachkenntnisse zu wenigstens in Englisch kommt hier gleich null Freude auf. Fazit: Das Buch sucht nicht nur nicht eine größere Leserschaft, sondern verdient sie meiner Meinung auch nicht. Jürgen Czogalla, 18.08.2013
|