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Philosophisch-ethische Rezensionen
(Erscheinungsdatum der rezensierten Bücher: 20. und 21. Jahrhundert)

Cora Diamond, Menschen, Tiere und Begriffe, Berlin 2012

Ich habe mich mit dem Buch von Cora Diamond nicht ganz so leicht getan. Das liegt vor allem daran, dass ich einfach den Eindruck hatte, dass sie das, was sie sagen will, nicht so recht auf den Punkt bringen kann. In allen ihren Aufsätzen, die in diesem Büchlein veröffentlicht wurden, kommt ein Unbehagen an der derzeit vorherrschenden Moralphilosophie zum Ausdruck, ein Unbehagen, das sich aber meiner Meinung nach nicht in bloßer Ablehnung begnügt, sondern nach einer weiterführenden Vertiefung und Korrektur sucht. Das Unbehagen der Autorin scheint mir vor allem darin zu liegen, dass sie das Gefühl hat, dass wir uns mit einer rein von abstrakten Prinzipien gesteuerten Ethik selbst verbiegen und Gefahr laufen an herzlicher (Mit-)Menschlichkeit zu verlieren, was in ihren Augen letztlich zu einer Verarmung führt. Worin diese Verarmung eigentlich besteht, versucht sie dem Leser immer wieder vor Augen zu führen, vor allem wenn sie beispielhaft Werke der Literatur, hier z. B. besonders das Werk von Charles Dickens und seine moralischen Implikationen im Gegensatz zu den blutarmen Argumentatioslinien gängiger Moralphilosophie (hier versucht sie immer wieder auch Schwächen der analytischen Ethik aufzuweisen, ohne deren Erkenntnisse allerdings gleich pauschal alle der Müllhalde zuzuordnen) zu kontrastieren. Dabei spielt bei ihr die Imagination eine besondere Rolle, die uns daran erinnert, woher wir kommen, in welch geheimnisvollen Lebenszusammenhängen wir existieren und was uns mit unseren Mitgeschöpfen verbindet in Freude, Frust und Schmerz. Dieser schon immer mitempfundene Zusammenhang mit dem Anderen bestimmt unser moralisches Verhalten nach Meinung der Autorin immer schon mit, wird aber von der zeitgenössischen Moralphilosophie, so die Ansicht von Frau Diamond, vernachlässigt bis ignoriert. Wenn uns dieser Imaginationssinn ganz abhandenkommen würde, dann sähe es sehr viel weniger menschlich um uns herum aus: Das scheint mir eine Kernaussage der Autorin zu sein.

Die Autorin hat eine ruhige, sachliche und angenehme Art schwierige moralphilosophische Fragen zu behandeln. Eine eigenständige, ausgearbeitete ethische Theorie bietet sie in ihrer Aufsatzsammlung nicht, dafür aber eine Art von Therapieversuch für zu prinzipienbegeisterte Ethiker. In jedem Fall weitet sie den moralischen Blick, wenn man sich denn auf ihre etwas ungewöhnliche, ruhige Herangehensweise einlässt.

Jürgen Czogalla, 02.02.2013

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