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Philosophisch-ethische Rezensionen
(Erscheinungsdatum der rezensierten Bücher: 20. und 21. Jahrhundert)

Dossie Easton, Janet W. Hardy, Schlampen mit Moral. Eine praktische Anleitung für Polyamorie, offene Beziehungen und andere Abenteuer, München 2018, 3. Auflage

Heute melde ich mich mit einer Rezension zu dem schlüpfrigen Thema der Polyamorie. Immer auf der Suche nach neuen Publikationen zur Frage nach dem guten Leben hier einmal ein Selbsthilfebuch zum Thema moralische Schlampen. Was die Autorinnen darunter verstehen, steht gleich am Anfang. Was sie versprechen ist Liebe, Sex und Freundschaft im Überfluss. Sie zählen dann auf, was alles dazu gehört: Leidenschaftliche und tief gehende Intimität, Freundschaft und Zuneigung, erotische Atmosphäre und vor allem den eigenen (sexuellen) Gelüsten zu folgen und zu sehen wohin man damit kommt. Die Autorinnen sind davon überzeugt, dass Sex und sexuelle Liebe fundamentale Kräfte des Guten sind, mit denen intime Bande gefestigt und das Leben verbessert wird. Außerdem können sich durch sie spirituelle Wege öffnen. Einvernehmlicher Sex setzt positive Kräfte im Menschen und Gemeinschaften frei. Schlampen leben nach Meinung der Autorinnen im sexuellen Schlaraffenland und teilen freigiebig ihre Sexualität aus und machen die Welt so zu einem schöneren Ort. Dabei wird versucht Sex und Beziehung in Einklang zu bringen – allerdings derartig, dass man für Sex in all den Ausprägungen frei wird, die einem gerade Spaß machen. Dazu gehören dann solche Dinge wir Gruppensex, Sex mit Freunden (männlich, weiblich, trans) und als Möglichkeit auch das Zusammenwohnen mit mehreren Sexpartnern in einem Haushalt. Sie preisen das Abenteuer und sind experimentierfreudig. Um dem Leser diese schönen Wege zu eröffnen, gilt es ihm zu helfen die ihm eingeimpften Vorstellungen über Liebe und Sex zu überwinden. Das ist auch ein Ziel dieses Buches. Das Buch wendet sich an alle ob hetero, schwul, lesbisch, trans, behindert oder pervers. Dabei bezeichnen sich die Autorinnen als ethisch denkende Menschen die größten Wert darauf legen, Menschen gut zu behandeln und die vermeiden, andere zu verletzen. Als moralische Kriterien werden genannt, jemandem zu schaden vermeiden, Risiken einschätzen und sich entsprechend verhalten – das gilt für alle Beteiligten, Spaßfaktor einschätzen, aus Beziehungen lernen, Fragen, ob eine Sache jemandem hilft sich weiterzuentwickeln und darauf zu achten aus der Welt einen besseren Ort zu machen. An oberster Stelle steht dabei das Kriterium des gegenseitigen Einvernehmens. Drängen, manipulieren, erpressen oder belügen geht gleichfalls gar nicht. Schlampen mit Moral wollen ehrlich sein zu sich selbst und zu anderen und versuchen dabei Scham und Angst zu überwinden. Es werden dann Tipps für eine solche Lebensführung gegeben z. B. auch Safer Sex, Flirten, Kindererziehung und wie man unvermeidliche Schwierigkeiten bewältigen kann, wie z. B. Konflikte lösen oder Eifersucht und (Partner)Besitzdenken überwinden kann. Schließlich werden noch einige mögliche Schlampenformen vorgestellt, von Paaren, Singleschlampen bis hin zu Gruppensex und Orgien, die die Autorinnen auch ganz toll finden.

Eingewebt sind immer wieder praktische Übungen und kleine, authentische Erfahrungsberichte.

Die Wertstufung des Buches ist ziemlich klar: Soviel tollen Sex haben wie möglich, und die weiteren Lebenseinstellungen so konfigurieren, dass das halbwegs gut gehen kann. Auf mich wirkt das Ganze deswegen ungewollt als eine Anleitung zur Schadensbegrenzung. Wie zum Beispiel soll man mit seinem Partner, bzw. Partnern überhaupt ein Gefühl der Sicherheit, der Geborgenheit und wirklicher Intimität erfahren, wenn man sich ständig wieder in neue/weitere Beziehungen stürzt. Sicher ein mehr als gravierender Nachteil dieser Lebensführung. Die Autorinnen haben dazu etwa das Rezept verlässliche Vereinbarungen zu treffen, das sie seitenlang erläutern. Gegen Eifersucht bieten sie etwa Hilfe zur Konfliktbewältigung an, wieder über viele Seiten. Kinder haben ihrer Meinung nach gar keine Probleme mit vielen verschiedenen Sexpartnern in einem Haushalt, bzw. können sich schnell daran gewöhnen, nur sollte man seine Lebensweise möglichst unter Verschluss halten, nicht dass das Jugendamt einem die Kinder wegnimmt. Auch dem Chef ja nichts von der eigenen Lebensweise sagen, sonst ist man gleich unten durch, es sei denn der Chef ist auch poly. Und mit seinen Sexpartnern und Exsexpartnern kann man doch eine ganz tolle komplexe Großfamilie bilden. Und natürlich empfehlen die Autorinnen, eine von Ihnen ist selbst Ehe- und Familientherapeutin, immer mal wieder Therapien und Beziehungsseminare zwischendurch. Das freut natürlich auch die entsprechende Industrie. Und wer den Sex nun wirklich an erste Stelle setzt, für den ist der andere eben dann doch mehr oder weniger ein Spielzeug, mit dem man Sex spielt, so die Bezeichnung der Autorinnen. Das da nicht alle Beziehungen auf Tiefgang angelegt sind ist klar, besonders wenn die Autorinnen schildern wie es auf einer moralischen Sexpartie zugeht und Tipps geben, wie man sich dort am besten als Neuling verhält. Da schaut man dann eben zu wie Fremde Sex (in Gruppe, Duo oder Solo) haben und gesellt sich gegebenenfalls einfach dazu. Ganz schön gruselig und kalt und eine Lebensführung, die ich nicht empfehle.

Allerdings, wenn man diese nicht ungefährliche Lebensführung einschlagen möchte, ist man tatsächlich mit Selbsthilfebuch besser dran als ohne.

Jürgen Czogalla, 09.02.2019

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