Philosophisch-ethische Rezensionen
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Wolfram Eilenberger, Zeit der Zauberer. Das große Jahrzehnt der Philosophie. 1919-1929, Stuttgart 2018"Zeit der Zauberer“ erzählt parallel die Geschichte von vier bedeutenden
deutschsprachigen Philosophen in einer bewegenden, intensiven Zeit von 10 Jahren: Walter Benjamin, Ernst Cassirer, Martin
Heidegger und Ludwig Wittgenstein. Das Buch ist in Kapiteln unterteilt, die den Zeitrahmen weiter zergliedern und wo
dann immer jeweils parallel erzählt wird, was die Philosophen zu diesem Zeitpunkt so getrieben haben, wie sich ihre
Philosophie, aber auch parallel ihre Lebensumstände entwickelt haben. Der geschichtliche Kontext wird dabei gut herausgearbeitet.
Die parallele Darstellung des Lebens der Philosophen erlaubt es dann dem Autor immer wieder auf Ähnlichkeiten gerade in
ihren philosophischen Problemstellungen hinzuweisen. Natürlich zeigen sich so aber auch krass die unterschiedlichen
Lebensstellungen: Cassirer etwa der anerkannte, republikanisch Gesinnte, im üblichen akademischen Leben voll aufgehende
Professor, der schon bald Probleme wegen seiner Herkunft als vom Judentum zum evangelischen Christentum Konvertierter
in Deutschland bekommt. Heidegger, der unkonventionelle und revolutionäre, dem ein kometenhafter Aufstieg im universitären
Bereich gelingt, für mich der absolut unsympathischste der vorgestellten Philosophen. Wittgenstein erscheint als eine Art
Wunderkind, der früh meint, alle philosophischen Fragen endgültig gelöst zu haben, die Philosophie an den Nagel hängt und
als Dorfschullehrer krachend scheitert, bevor der dann doch wieder in Cambridge an der Universität als Professor unterkommt.
Benjamin dagegen führt ein ganz unstetes Großstadtleben, verbringt seine Zeit nicht nur in Berlin, sondern auch etwa in Neapel,
Moskau und Paris, ständig in finanziellen Nöten und in praktischen Dingen ziemlich talentfrei, bei ihm jagt sozusagen eine persönliche
Katastrophe die nächste.
Auf die wichtigen Werke der Philosophen, die in dieser Zeit entstanden sind, wird eingegangen, sodass das Buch auch durchaus als eine kleine philosophische Einführung durchgehen kann, nicht ganz oberflächlich, aber im Grunde doch mehr oder weniger nur ein Appetithäppchen um sich mit den Werken vielleicht doch besser anderswo näher hin zu beschäftigen. Als Höhepunkt des Buches erscheint die Davoser Disputation im Jahre 1929 zwischen Cassirer und Heidegger mit ihren konträren Auffassungen. Das Buch schließt mit einem sehr kurzen Ausblick auf den Weitergang der vier Philosophen nach 1929 und ein paar netten historischen Fotografien. Dem Buch gelingt vor allem eins: Sehr gut zu unterhalten. Persönliches Neuland für mich ist Ernst Cassirer gewesen, mit dem ich mich vorher noch überhaupt nicht beschäftigt hatte, während er für den Autor zu den wirklichen Geistesgrößen des 20. Jahrhunderts zählt. Das Buch ist kurzweilig und der Autor zeigt immer wieder auch Sinn für das Komische im Tragischen und so gibt es des öfteren einiges zum Schmunzeln. Insgesamt ein wirklich gelungener populärer Beitrag zur Geschichte der Philosophie des 20. Jahrhunderts. |