Philosophisch-ethische Rezensionen
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Rainer Erlinger, Nachdenken über Moral, Frankfurt am Main 2012Das Buch enthält die vom Autoren überarbeiteten Vorlesungen aus einer Vorlesungsreihe an der Philosophisch-Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Augsburg aus dem Wintersemester 2008/2009, die der Autor im Rahmen einer Gastprofessur hielt, sowie der Wiedergabe eines Gespräches von Erlinger mit dem Dekan der Philosophisch-Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Augsburg, Prof. Dr. Bernd Oberdorfer. In diesem Gespräch geht es primär um die Kolumne des Autors bei der Süddeutschen Zeitung („Gewissensfragen“), die ihn bekannt gemacht hat. Darin antwortet der Autor auf Leserbriefe, die Probleme der Leseralltagsmoral behandeln und bietet dem Leser jeweils eine philosophische Lösung an. In dem Gespräch werden auch zahlreiche Zuschriften vollständig zitiert nebst den gegebenen Antworten. Dieses Gespräch empfinde ich als eine Art Bonus zusätzlich zu den Vorlesungen, das, auch wenn es doch recht unterhaltsam ist, meiner Meinung nach aber wirklich nicht besonders in die Tiefe geht und so auch überhaupt nicht meiner Erwartungshaltung an diesem Buch entspricht. Trotzdem finde ich es aber natürlich doch super, dass es eine solche Moralkolumne überhaupt gibt, die Menschen bei ihren Moralproblemen berät.
Die in dem Buch wiedergegebenen sechs Vorlesungen haben mich allerdings nicht enttäuscht. Ihre Themen sind: „Wer einmal lügt…“ (behandelt das moralische Problem der Lüge), „Recht und gut“ (Problematisiert das Verhältnis von Moral und Recht), „Die Form des Guten“ (über gutes und schlechtes Design), „Was du nicht willst“ (über die goldene Moralregel „Was du nicht willst, was man dir tut, das füg auch keinem Anderem zu“, ihre Wirksamkeit, ihre Schwächen und wie man sie beheben kann; dieses schöne Kapitel gibt dem Leser viele Werkzeuge in die Hand, die ihm helfen können, moralische Alltagsprobleme, die auftreten könnten, selbstständig zu lösen), „Solange man mich nicht stört“ (über die Toleranz und ihre Grenzen) und „Keine Experimente“ (thematisiert Moral und Innovation). Das Buch ist ganz außergewöhnlich leserfreundlich und eignet sich insbesondere auch für den in Moraltheorie noch völlig Unbedarften: Hier erhält er sehr verständlich und dabei doch philosophisch kompetent zu den genannten Themen einen guten ersten Einblick, bei Gelegenheit auch immer wieder mit Praxisbeispielen aus der Kolumne des Autors, aber auch, indem auf Aussagen bedeutender Philosophen zum Thema eingegangen wird (wie z.B. Platon, Aristoteles, Kant, Rawls, Hare…). Zu jeder der Vorlesungen, die nicht zu lang sind, gibt es dann noch eine kleine Liste mit passenden Literaturtipps, sehr schön! Die Vorlesungen machen Lust darauf, sich näher mit Ethik zu befassen. Obzwar ich selbst nun nicht gerade mehr zu den ganz Unbedarften in Sachen Ethik gehöre, habe auch ich dieses Buch mit viel Interesse, Freude und Gewinn gelesen. Ein gutes Buch. Jürgen Czogalla, 01.08.2012 |