Philosophisch-ethische Rezensionen
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Philippa Foot, Die Natur des Guten, Frankfurt am Main 2004In Ihrem schmalen Bändchen (mit Anhang 163 Seiten) nimmt Frau Foot insbesondere den Nonkognitivismus aufs Korn. Ihrer Meinung nach ist die Ethik, die sich insbesondere dem einflussreichen Werk 'Principia Ethica' von E.G. Moore verbunden weiß und wie sie sich besonders im angelsächsichen Raum in der so überaus einflussreichen Schule der analytischen Philosophie im 20. Jahrhundert bis heute niedergeschlagen hat (es fallen z.B. die Namen Ayer, Hare, Blackburn und Gibbard) auf dem Holzweg. Insbesondere bestreitet Frau Foot die vorgebliche Kluft zwischen Grund und Handeln: Im Gegensatz zur obigen philosophischen Strömung, moralische Urteile irgendwie an eine bestehende Verfassung des das Urteil fällenden moralischen Subjekts zu binden, ist sie der Meinung, dass die Qualität der moralischen Entscheidung, die Qualität des Willens das Fundament praktischer Rationalität ist. Darum sei es auch wichtig Tugenden zu entwickeln und zu pflegen. Praktische Rationalität bedeutet für sie Qualifizierung zum guten Handeln. Als gut bezeichnet sie (das gilt jetzt für Pflanzen genauso wie für Tiere und Menschen, sie sieht hier im Kern keine Argumentationskluft) das, was eine Art braucht um zu Gedeihen und sich positiv entwickeln zu können, man könnte wohl auch sagen, ihr inneres Telos (Ziel) zu erfüllen, ein an Aristoteles angelehnter Gedanke. Die Kritik am Nonkognitivismus der Autorin fand ich interessant und anregend, ihren eigenen Weg allerdings nicht als überzeugend. Das liegt vor allem daran, dass es ihr nicht gelingt meine (Vor-)Urteile gegenüber ihrem naturalistischen Entwurf aus dem Weg zur räumen, der mir nichts weiter zu sein scheint als das alte 'Der Mensch handelt gut, wenn er seiner Natur entspricht', mit all den erstaunlichen Folgerungen, die man aus so einer doch ziemlich unklaren und für verschiedenste Ideologien sehr anfälligen Anweisung ziehen kann: Von der naturgegebenen Minderwertigkeit der Frau, der Naturwidrigkeit der Menschenrechte bis zur Naturgewolltheit der Sklaverei. Letztlich kommt es auf das jeweilige Welt- und Menschenbild an, für was man sich hier entscheidet (natürlich ist auch das Gegenteil mit dieser Argumentationsfigur möglich: Für Gleichberechtigung, für Menschenrechte, gegen Sklaverei), nur kann das nun wirklich eine Grundlage dafür sein, sich in ethischen Fragen zusammenzusetzen um womöglich zu gemeinsamen Lösungen zu kommen? Das glaube ich nicht. Vielleicht noch als eine Art Korrektiv zu anderen Methoden der Ethik zu gebrauchen, aber wohl kaum als der primäre Weg. Warum es Frau Foot nicht gelingt mir meine (Vor-)Urteile zu nehmen, liegt auf der Hand: Sie setzt sich zwar mit bedeutenden modernen ethischen Ansätzen des 20. und 21. Jahrhunderts auseinander, nicht aber mit der Kritik und mit der jahrhundertelangen Geschichte des ethischen Gedankens, den sie im Kern selbst vertritt. Das ist schon fast ein bisschen Geschichtsvergessen. Da sie desweiteren eine Anthropologie kaum in Ansätzen liefert, bleibt es mir zudem ziemlich unklar, wohin denn der Telos des Menschen ihrer Meinung nach abzielt. So ärgere ich mich doch ein wenig über dieses Buch, auch wenn ich für den Schreibstil der Autorin und ihre Art, wie sie verständlich komplexe und schwierige Argumente vorträgt, durchaus Sympathie empfinde. Jürgen Czogalla, 01.11.2011
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