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Philosophisch-ethische Rezensionen
(Erscheinungsdatum der rezensierten Bücher: 20. und 21. Jahrhundert)

Harry G. Frankfurt, Sich selbst ernst nehmen, Berlin 2016

Das Buch beruht auf den Tanner Lectures die Harry Frankfurt an der Stanford University im Jahr 2004 hielt und wird angereichert mit kritischen Bemerkungen von Christine Korsgaard, Michael Bratman und Meir Dan-Cohen in je eigenen Aufsätzen zu denselben.

Für Frankfurt sind Vernunft und Liebe von entscheidender Bedeutung für das, was wir denken und was unser Verhalten letztlich motiviert. Von diesen Direktiven Kopf und Herz erwarten wir, dass sie uns dabei helfen, dass unsere Gedanken, Gefühle und Entscheidungen Sinn ergeben, uns dabei anleiten, richtig zu liegen. Beide haben unverkennbar normative Autorität. Für Frankfurt nun gründet die Autorität der praktischen Vernunft aber letztlich in der Liebe. Liebe ist für ihn zuförderst eine Angelegenheit des Willens, die Quelle praktischer normativer Autorität ist also der Wille. Wenn wir nun einen freien Willen haben, so Frankfurt, dann ist unser Selbst in diesem Moment harmonisch integriert. Dabei ist etwas wichtig dann für uns, so Frankfurt, wenn wir uns um dieses Etwas auch wirklich sorgen, Wichtigkeit hängt also von der Disposition des Individuums ab. Um was wir uns sorgen unterliegt aber nach Frankfurt nicht unserer Kontrolle, unsere Sorge setzt sich aus Wünschen und Dispositionen zusammen die nicht unserer unmittelbaren willentlichen Kontrolle unterliegen. Liebe ist keine Entscheidung, sondern etwas, was uns zustößt. Liebe schafft Gründe, ist aber nicht Ergebnis oder Konsequenz von Gründen. Unsere Endzwecke werden seiner Meinung nach von der Liebe legitimiert. Auf die Frage wie wir leben sollen antwortet Frankfurt, dass es darauf ankommt sich klar zu werden um wen oder was wir uns sorgen und dies in die richtige Korrelation und Gewichtung zu bringen. Er spricht von einer volitionalen Vernunft, die uns vorschreibt, welche Handlungsgründe wir in diesem Rahmen akzeptieren können und welche nicht. Dabei gibt es für ihn fundamentale Notwendigkeiten des Willens die fest in der menschlichen Natur verwurzelt sind, eine Person etwa die als Endzweck Tod, Hilflosigkeit oder Unglücklichsein erstreben würde, könnten wir nicht mehr verstehen. Volitionale Notwendigkeiten sind für Frankfurt absolut und unbedingt, der Liebende kann der Macht der Liebe zwar nicht widerstehen, aber es ist seine eigene Macht. Wenn wir annehmen, dass das Moralgesetz ewig und unveränderlich ist, so deshalb, weil die grundlegendsten volitionalen Züge der menschlichen Natur keiner Veränderung unterliegen.

Die Thesen von Frankfurt überzeugen mich in gar keiner Weise. Die Macht der Liebe wird meiner Meinung nach grotesk überschätzt – schließlich ist es ja durchaus möglich auch verabscheuungswürdige und amoralische Dinge zu mögen und zu erstreben -, zum anderen gibt es einfach Dinge für die wir uns einfach nur in einer schwächeren Weise interessieren und die dennoch als Teil unseres Leben von Wichtigkeit sind. Und schließlich ist unser Wille keine Kraft die gleichsam von der Vernunft losgelöst ist, sondern genauso wie von unseren Gefühlen auch immer von ihr Ineins mitdurchdrungen ist, kurzum mir ist Frankfurts Ansatz auch noch viel zu dualistisch. Trotzdem bin ich seinen Gedankengängen interessiert gefolgt, denn er versteht es diese spannend und in sehr verständlichen Worten vorzutragen. Die beiden Vorlesungen sind aber wirklich nur ein sehr kurzes Lesevergnügen und wären nicht die drei durchaus niveauvollen kritischen Antworten darauf im Buch mit vereinigt, wäre das doch ein wirklich recht dünner Band geworden.

Jürgen Czogalla, 06.03.2016

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