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Philosophisch-ethische Rezensionen
(Erscheinungsdatum der rezensierten Bücher: 20. und 21. Jahrhundert)

Dieter Henrich, Denken und Selbstsein. Vorlesungen über Subjektivität, Berlin 2016

In den Vorlesungen steht die These von der Unverständlichkeit des Zentrums der Subjektivität, des Wissens von sich selbst, im Zentrum. Das führt dazu, dass das bewusste Leben durch sich selbst beunruhigt wird, was wiederum dazu führt, dass das Subjekt in einen Prozess der Selbstverständigung hineingezogen wird. Weitere Spannungen ergeben sich durch die Wechselfälle der physischen und sozialen Existenz sowie der Dynamik des sittlichen Bewusstseins. Freiheit ist für den Autor dort anzusetzen, wo es um eine Grundrichtung des Handelns einer Person geht, einer Entscheidung für die Grundausrichtung des je eigenen Lebens. Der unhintergehbare Zentralpunkt allen Wissens bleibt immer im Wissen der eigenen Subjektivität beschlossen, aber das Subjekt muss sich natürlich sehr wohl im Rahmen dieser Voraussetzung positionieren und sich selbst in diesem Zusammenhang verständigen. Dies Wissen ist das fixe Organisationszentrum der Welterschließung des Subjekts, sowie auch des Entwurfs seiner Weltkonzepte, hierum organisiert sich seine Identitätsbildung. Dieser Gesamtprozess ist auf Selbstverständigung hin orientiert, das Subjekt weiß, dass es nicht aus sich selbst begründet ist, sein Grund gehört nicht der Welt zu, die ihm erschlossen ist, und so verbindet sich die Rückfrage auf ihn auf einen Ausgriff auf ein Ganzes ganz anderer Art, wodurch eine Öffnung des Denkens entsteht, die für alternative Weltbegriffe offen ist.

Der Text des Buches geht auf 5 Vorlesungen des Autors zurück, die er in den Jahren 2003 - 2006 gehalten hat. Das für mich bemerkenswerte an dem Band ist, dass der Autor zwar Gedanken des klassischen deutschen Idealismus fortspinnt, dabei aber dessen Extreme und Unplausibilitäten weithin abschleift. Das geschieht auch und gerade durch die vertiefte Auseinandersetzung mit bedeutenden Strömungen gegenwärtiger philosophischer Denkrichtungen. So entsteht eine interessante und weithin nachvollziehbare Denkbewegung auf universitärem Niveau, geboten wird dabei eine Art Grundskizze einer modernen Philosophie, die ihren Ausgangspunkt in der Subjektivität weiß, die aber dabei spezielle Problemfelder des Fachs immer zu wenigstens anreißt und Horizonte eröffnet, ohne sich allzu sehr in Spezialfragen zu verbeißen.

Fazit: Für Leser, die sich fragen wie man Gedanken des klassischen deutschen Idealismus heute noch konsistent aufgreifen kann sehr lesenswert!

Jürgen Czogalla, 30.04.2016

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