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                Philosophisch-ethische Rezensionen
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Norbert Hoerster, Ethik und Interesse, Stuttgart 2003Meiner Meinung nach ist Norbert Hoersters Ethikentwurf einer der  wichtigsten Ethikbeiträge der letzten Jahre überhaupt. Der Autor spricht sich  in wunderbar klarer, auch für den Laien verständlichen Sprache (ich selbst habe  das Buch in einem Wusch durchgelesen, was mir bei einem philosophischen Buch  sonst so gut wie gar nicht passiert) für eine interessenfundierte Ethik und  gegen eine ethische Theorie aus, die auf objektiven Normen beruht (Kognitivismus).  Seine Kritik an derartigen Entwürfen entfaltet er beispielhaft am  Naturrechtsdenken und Intuitionismus, an Kants kategorischem Imperativ, an der  Diskursethik von Habermas und dem Utilitarismus von Richard M. Hare. Seine  Überlegungen führen den Autor zu der Annahme, dass es generell unwahrscheinlich  ist ein Verfahrensprinzip zu finden, dass zu einer Moralbegründung von  objektiven begründeten Moralnormen führt und einer rationalen Kritik standhält.  Anders verhielte es sich mit seinem Vorschlag einer interessenfundierten Ethik,  die gleichzeitig individualistischer Art ist. Dabei geht es dem Autor aber um  rationale Interessen, d.h. die gewählte Handlung sollte geeignet sein, dass  jeweilige Interesse zu befriedigen. Dazu bedarf es dann auch eines gewissen  Grades an Informiertheit und Urteilsfähigkeit. Eine rationale Handlung lässt  sich seiner Meinung nach solcherart auf rationale Wünsche zurückführen. Die  Grundeinsicht von Hoerster, auf der seine Ethik sozusagen aufruht, ist nun  diese, dass es Moralnormen gibt die in jedermanns Interesse liegen (er  begründet hier also nicht objektiv, sondern intersubjektiv). Der Autor stellt  das dann an einigen Beispielen, wie zum Beispiel dem Tötungsverbot exemplarisch  dar. Andere solcher Normen, die in jedermanns Interesse liegen und die der  Autor erwähnt sind etwa das Lügenverbot und das Gebot nicht zu stehlen. Als  Begründung, warum es rational ist moralisch zu handeln, führt er den  Gesichtspunkt der drohenden Sanktionen im Verweigerungsfall, den Grund des  Vorteils persönlicher Integrität und den Grund der Einstellung der Fairness an,  alles Gründe, die normalerweise als durchweg rational anzusehen seien. Fazit:  Für den Autor gibt es nur eine einzige Form der praktischen Rationalität,  nämlich die interessebezogene praktische Rationalität. Es gibt zwar für ihn  auch ein normgeleitetes rationales Handeln, dieses wird aber seiner Meinung  nach durch eine interessengeleitete Normenakzeptanz vermittelt und sei so,  fundamental betrachtet, ebenfalls interessengeleitet.
       Den Grundgedanken des Autors eine Ethik allein auf rationalen je individuellen Interessen zu gründen finde ich erfrischend und anregend, zumal das Ergebnis, wie der Autor zeigen kann, alles andere als eine völlig unmoralische Gesellschaft ist. Trotzdem habe ich gewisse Zweifel, was die Reichweite dieses ethischen Ansatzes in der Praxis betrifft, bei den vielen rationalen Interessen, die es nun einmal gibt. Umfassende Interessenberücksichtigung sicher ja, aber als alleinige Grundlage erscheint mir das doch fraglich. Jürgen Czogalla, 16.03.2010  
      
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