Philosophisch-ethische Rezensionen
|
|
Thomas Kriza, Die Frage nach dem Sinn des Lebens. Das zwiegespaltene Verhältnis des modernen Denkens zu den Sinnentwürfen der Vergangenheit, Hamburg 2018Die Beobachtung des Autors ist, dass es für modernes philosophisches Denken
schwierig ist ein Verständnis für die Sinnhaftigkeit menschlicher Existenz zu gewinnen, das in sich stimmig und nicht
verflacht ist. Genauer hin findet er tatsächlich sogar nirgends im modernen Denken eine befriedigende Lösung der Sinnfrage.
Traditionelle, klassische Beantwortungen der Sinnfrage leiten den Sinn des Lebens aus den Zusammenhängen des Kosmos ab,
während sie heutzutage aus dem autonomen Selbst des Menschen, unabhängig von der Beschaffenheit der Welt, gewonnen werden.
Die Tradition kommt also von der Idee einer kosmischen Ordnung an der sich der Einzelne zu orientieren hat, die modernen
Auffassungen von einer prinzipiellen Sinnautonomie her. Der Autor nun meint, dass durch die Abkoppelung existentieller
Sinnhaftigkeit von den Zusammenhängen der Welt eine Sinnleere entsteht, die von der modernen Philosophie – so das Fazit
seines Buches – noch nicht bewältigt wurde. Er konstatiert in der Moderne in der Sinnfrage eine Verschiebung von der
Wahrheit auf die freie Wahl und eine rückhaltlose Redlichkeit, der es nicht mehr möglich ist im Rahmen der modernen
Wissenschaften den alten Kosmosgedanken aufrecht zu erhalten. Der Autor zeigt aber auf, dass trotzdem alte Konzepte
noch immer eine Faszination ausüben, ohne aber genau ins heute hinübergerettet werden können. Denn die alten Entwürfen
erscheinen uns, wenn wir sie wirklich verstehen, als sehr fremd und sind nicht in Einklang mit der modernen Wissenschaft
und damit unserer modernen Lebensumwelt zu bringen.
Der Autor stellt dann klassische Sinnkozepte (z.B. Platon, Aristoteles, Aurel...) und anschließend moderne Sinnkonzepte vor (z.B. Mirandolla, Nietzsche, Kant, Kierkegaard, Heidegger, Kanitscheider…) und zeigt ihr Verhältnis auf. Letztlich empfindet er moderne Vorschläge als nicht überzeugend, die alten Vorschläge in ihrer ursprünglichen Form als nicht mehr brauchbar für die heutige Zeit. Eine Wiederkehr philosophischer und religiöser Sinnvorstellungen der Tradition erteilt er eine Absage, denn sie besitzen, das will der Autor mit seinem Buch zeigen, kein stabiles philosophische Fundament mehr. Für die Moderne hält er fest, dass sich durch wissenschaftliches Denken gerade nicht die Sinnfrage erschließt, sondern sie wird hier schon methodisch ausgeschlossen. Eine Hinwendung zu tradierten metaphysischen Sinnvorstellungen kann heute nur noch erfolgen, wenn deren Wahrheitsanspruch – aufgrund heutiger Erkenntnisse – zurückgenommen wird, der aber mit diesen Sinnvorstellungen eigentlich eine unverbrüchliche Einheit bildet. Das führt dann nach Analyse des Autors dazu, dass solche Versuche alte metaphysische Vorstellungen wiederzubeleben letztlich scheitern. Weil nach seiner Meinung philosophisch fundierte Wege zur Verankerung von Sinnvorstellungen in den gegenwärtigen Weltbezügen fehlen ist die Sinnhaftigkeit menschlicher Existenz in der Moderne sehr gefährdet. Nimmt man das Buch des Autors wirklich ernst, dann müsste man eigentlich annehmen, dass die meisten Menschen in unserem Kulturkreis völlig orientierungslos und sinnfrei umhertorkeln, ein fiktiver Sachbestand, den auch religiöse Gemeinschaften immer wieder betonen und die vorgeblich fehlenden Sinnangebote zuliefern anbieten. Nur wenn ich mich so umsehe, dann führen die Menschen meiner näheren Umgebung so ziemlich alle ein sinnvolles Leben und leiden an keiner Dauersinnkrise. Dagegen gehören Phasen, in denen man den Sinn in seinem Leben sucht oder verloren hat einfach zum Leben dazu, das war gestern so, ist heute so und wird morgen so sein als ein Teil der menschlichen Existenz. Dass der Autor hier einen so falschen Eindruck vermittelt liegt womöglich zum einen daran, dass es nicht nötig ist um ein Leben als sinnvoll zu erleben, dies auch widerspruchsfrei und „unflach“ rational zu begründen und zum anderen, dass der Autor selbst an der Vorstellung hängt, dass unser Weltbild als Ganzes irgendwie wichtig ist für ein sinnvolles Leben. Damit ist er dann aber selbst noch traditionellen Gedankengängen verhaftet. In der Regel reicht es aber durchaus, wenn das eigene nähere Umfeld irgendwie stimmt, damit Leben gelingt. Das Universum und die Wissenschaften spielen da eher eine ganz unbedeutende Rolle. Für eine Lösung des Sinnproblems, wenn es denn überhaupt besteht, ist also zuerst einmal zu fragen, was es braucht um ein geglücktes Leben zu führen, und auf diese Frage geht der Autor überhaupt nicht ein. Moderne Naturwissenschaften braucht es für ein geglücktes Leben meiner Meinung nach prinzipiell genau so wenig wie mythisches-tradtionell-metaphysisches Denken. Ein besonders schöner Ansatz für ein geglücktes Leben hat meiner Meinung nach in der Gegenwart Martha Nussbaum mit ihrem neo-aristotelischen Fähgkeitenansatz entwickelt, der ganz ohne klassische Entelechie auskommt. Was ich sagen möchte ist, dass sich die Sinnfrage in der Frage nach einem geglückten Leben löst und das dieses in diesem Buch nicht einmal angerissen wird, was es meiner Meinung nach krass defizitär macht. Trotzdem habe ich aber mit Interesse die Spuren alter Sinnlösungen in der Moderne verfolgt, wie sie der Autor darstellt. Darum empfand ich sein Buch letztlich doch als Gewinn. Das Buch enthält längere englischsprachige Passagen (Zitierungen), die nicht übersetzt werden. |