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Philosophisch-ethische Rezensionen
(Erscheinungsdatum der rezensierten Bücher: 20. und 21. Jahrhundert)

Ray Monk, Wittgenstein. Das Handwerk des Genies, Stuttgart 2021

Mir liegt die E-Book Ausgabe vom 2021 vor, das Buch ist aber bereits 1992 als deutsche Übersetzung aus dem Englischen erschienen.

Dabei handelt es sich um eine Biographie Wittgensteins mit wissenschaftlichem Anspruch. Das Buch ist preisgekrönt und gilt sozusagen als das Nachschlagewerk zu Wittgensteins Leben. Es wird immer wieder reichlich zitiert aus Wittgensteins Tagebüchern und Notizen, philosophische Werken und Briefen und Aussagen von Zeitzeugen. Selbstverständlich wird das Ganze eingebettet in den historischen Kontext erzählt. Das Leben Wittgensteins ist reich an kuriosen Begebenheiten, die natürlich daher rühren, dass er schon ein bisschen verrückt war. Allerdings, obwohl er sich oft einsam und missverstanden fühlte, war er alles andere als ein philosophischer Eremit. Er hatte eigentlich immer Gönner die sein Talent gefördert und erkannt haben, wirklich fähige, wenn nicht geniale Gesprächspartner wie etwa Russel, Moore, der Wiener Kreis, Turing oder Ascombe und viele andere, aber er hatte auch einfach viele Freunde und Bewunderer, mit denen er oft bewusst philosophische Gespräche mied und lieber Tanzfilme und Western mit ihnen im Kino anschaute (künstlerische anspruchsvolle Filme wollte er dezidiert nicht sehen). Er selbst war nach dem Tod seines Vaters praktisch Milliardär, verschenkte dann aber sein ganzes Vermögen an die Familie und wurde lieber Dorfschullehrer, wo er dann aber scheiterte. Zuletzt war er dann über Jahre in Cambridge Professor, ohne sich dort richtig wohlzufühlen. Häufig in seinem Leben floh er in die norwegische Einsamkeit, wo er eine Hütte hatte. Er mochte Musik und Krimiliteratur und hat als Architekt seiner Schwester ein Haus in Wien gebaut. Auch als Bildhauer hat er sich zeitweise versucht. In seiner Jugend war er in der Luftfahrtforschung tätig, im 1. Weltkrieg wurde er für seinen Einsatz an der Front ausgezeichnet, im 2. Weltkrieg diente er freiwillig unter anderem als Laborassistent in einem Krankenhaus in Frontnähe. Und für einige Monate war er auch mal Gärtner in einem Kloster. Ach ja, und einer der bedeutendsten Philosophen des 20.Jahrhunderts ist er auch noch gewesen. Das Buch zeigt ihn als faszinierende Persönlichkeit, die aber auch sehr anstrengend und nervig für seine Freunde und Kollegen sein konnte. Es gab genau eine Frau, die er einmal heiraten wollte, die ihm aber einen Korb gab, weil er wohl doch etwas zu kurios für sie war, ohne dass ihre gemeinsame Zuneigung und Freundschaft aber dadurch zu Bruch gingen.

Ich habe mich gerne mit diesem Buch durchs Leben Wittgensteins führen lassen, ein liebenswürdiges Leben von einem innerlich oft zerrissenen und auch immer mal wieder von Selbstmordgedanken geplagten Protagonisten, der zuletzt katholisch beerdigt wurde, obwohl er sich selbst nicht als katholisch verstand. Allerdings muss man wissen, dass es hier eben wissenschaftlich und detailliert zu Werke geht. Es ist darum auch kein Buch für eilige Leser (es ist ja auch tatsächlich ein dicker Wälzer). Von seiner Philosophie wird auch einiges erzählt, sodass man ein bisschen eine Ahnung davon bekommt. Als philosophische Einführung in sein Werk ist es aber meiner Meinung nach weniger zu empfehlen.

Jürgen Czogalla, 27.01.2024

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