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Philosophisch-ethische Rezensionen
(Erscheinungsdatum der rezensierten Bücher: 20. und 21. Jahrhundert)

Arne Næss, Die Zukunft in unseren Händen. Eine tiefenökologische Philosophie, Wuppertal 2013

Das Buch ist die erstmalige deutsche Übersetzung der englischen Ausgabe von 1989, erschienen bei Cambridge University unter dem Titel „Ecology, Community and Lifestyle“, herausgegeben und überarbeitet von David Rothenberg.

Mit dem Buch gibt der Autor, der als Begründer der Tiefenökologie gilt, an engagierte Naturschützer Taktiken, Argumentationshilfen und ein begründetes tiefenökologisches Weltbild in Form einer Ökosophie weiter, das ihnen helfen kann, überzeugend in Auseinandersetzungen mit Gegnern ihrer Bewegung aus dem Bereich der Ökonomie, Umweltpolitik, Technik und Lebensführung aufzutreten und so optimiert auf die Erreichung ihrer grünen Ziele hinarbeiten zu können. Dabei wird das angebotene Weltbild aber nicht als wortwörtlich zu akzeptieren vorgestellt, erscheint wohl aber als richtungsweisende, beispielhafte Anregung für eine eigene tiefenökologische Grundlagenbildung. Die Inhalte seiner Ökosophie fasst der Autor dabei gegen Ende des Buches in hierarchisch angeordnete Norm- und Hypothesensätze, die gut verständlich bleiben und die er dann auch näherhin kommentiert. Was er liefert, ist aber allerdings letztlich kein völlig ausgearbeitetes System, sondern eine Art Rahmen, an dem der Leser sozusagen weiter stricken soll. Als grundlegende Norm gilt dem Autor die SELBST-Verwirklichung: Je höher ihr Grad, umso mehr sei die Identifikation mit anderen Lebewesen, umso mehr hänge der eigene Fortschritt von dem Fortschritt der SELBST-Verwirklichung anderer Lebewesen ab. Daraus ergibt sich dann die Forderung nach SELBST-Verwirklichung für alle Lebewesen. Unter SELBST-Verwirklichung versteht der Autor dabei nicht nur einen Prozess der Vervollkommnung, sondern auch das Ziel der Vollkommenheit. Weitere sich für den Autoren aus der Grundnorm ergebende Werte sind dann etwa noch die Forderung nach der Vielfalt des Lebens, nach Komplexität und Symbiose, nach lokaler Selbstversorgung, lokaler Kooperation und lokaler Autonomie sowie die Ablehnung von Zentralisierung. Aus der Grundnorm folgen auch die Ablehnung von Ausbeutung, Unterdrückung und die Forderung nach der Anerkennung des allgemeinen Rechts auf SELBST-Verwirklichung überhaupt, sowie nach dem Ende der Klassengesellschaft und nach Erreichung von Selbstbestimmung.

Obwohl das Buch schon einige Jahre auf dem Buckel hat, ist es meiner Meinung nach immer noch hilfreich für Menschen, die sich in Umweltfragen engagieren, denn zu einem womöglich noch unbestimmten positiven Natur- und Ganzheitsgefühl treten hier rationale Argumentationslinien hinzu, bzw. werden deren Bildung unterstützt. So kann man sich denn dann in der Öffentlichkeit wohl tatsächlich besser verständlich machen hin auf dem langen Weg zur Erreichung einer besseren Umwelt und einer positiv korrigierten Einstellung der Menschen gegenüber zur Erde und zur Natur. Der Leser kann so wirklich profitieren von der reichen, aus vielfältigem Eigenengagement stammenden Erfahrung des Autors, der 2009 verstorben ist und als bedeutender norwegischer Philosoph gelten kann (er war unter anderem in der Friedensbewegung aktiv und Ehrenmitglied der Grünen Partei Norwegens). Allerdings ist es nun so, dass die lange Zeit seit Erscheinen des Buches bis heute doch auch nicht völlig spurlos an ihm vorübergegangen ist: Natürlich nimmt hier der Autor auch immer wieder mal auf heute veraltete Quellen Bezug, und ich habe mich dann des öfteren schon gefragt, inwiefern sich das alles noch mit unserer heutigen Situation trifft, was sich heute aktuell geändert hat und wo heute die besonderen Chancen eines tiefenökologischen Engagements zu sehen wären. Die Einleitung des Herausgebers wurde aus den 80'er Jahren einfach übersetzt und bietet für den diesbezüglich interessierten Leser daher auch keine Hilfe. Das wäre denn auch ein Kritikpunkt von mir: Wenn schon eine Neuauflage des Buches, dann doch wenigstens mit einer aktualisierten Einleitung.

Jürgen Czogalla, 01.07.2013

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