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                Philosophisch-ethische Rezensionen
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Susan Neiman: Moralische Klarheit. Leitfaden für erwachsene Idealisten, Hamburg 2010Wohl um zu zeigen was moralische Klarheit eigentlich gerade  nicht auszeichnet und was also das Defizit US-Amerikanischer Politik ist  zeichnet die Autorin ein/ihr Bild der US-Rechten und Linken zur Regierungszeit  von George W. Bush. Die Rechten bewegen sich nach Meinung von Neiman zwischen  der philosophischen Richtung Hobbescher Prägung und der Hegels: Sie träten mit  dem Anspruch auf den Tatsachen gerecht zu werden und wenn man nur die Macht  dazu hat auch gegebenenfalls seine Ziele zu erreichen ohne es mit der Wahrheit  allzu genau zu nehmen auf der einen Seite, auf der anderen Seite poche man  immer wieder auf die Werte der Aufklärung ohne dass allerdings klar werde, was  die genaue Natur dieser Werte nun sei. So hätten die Konservativen sozusagen 2  Metaphysiken, nämlich die, dass die einzige Realität eine materielle ist und  diejenige, dass Ideen Berge versetzen können, beide immer wieder kombiniert um  intellektuelle und moralische Überlegenheit zu suggerieren, obwohl beide  Metaphysiken eigentlich gar nicht so recht zusammenpassen würden und damit  letztlich das Vertrauen in moralische Werte überhaupt untergraben werde. Die  Linke hat nach Neiman dagegen gar keine Metaphysik anzubieten und stünde mit  leeren Händen da. Darum sei sie unfähig die Herzen der Menschen zu gewinnen.  Die Autorin ist der Ansicht, dass beide Seiten etwas Entscheidendes vermissen  lassen, nämlich eine philosophische Grundlage um den Unterschied zwischen dem  Was-Ist und dem Was-Sein-Soll zu verstehen und Etwas zu konstruieren was von  dem Einen zum Anderen führt und was man in seiner besten Weise als moralische  Klarheit bezeichnen kann. Diese moralische Klarheit sucht die Autorin neu  freizulegen und zu vermitteln, indem sie die Werte der Aufklärung (z.B. Glück,  Vernunft, Ehrfurcht, Hoffnung) darstellt und gegenüber Kritikern rehabilitiert.  Anhand von 4 Kurzbiografien von heldenhaften US-Bürgern unserer Zeit zeigt sie  dann wie sich diese Ideale auch heute noch verkörpern und uns zum Vorbild  dienen können. Aber auch etwa die biblischen Gestalten Abraham und Hiob sind  für die Autorin schon "aufgeklärte" Wege gegangen um vom Sein zum  Sollen zu gelangen.  Meiner Meinung gelingt der Autorin eine außergewöhnliche, tiefschürfende philosophische Analyse auf dem Hintergrund US-Amerikanischer Gegebenheiten. Als erklärte Anhängerin und Wahlhelferin Obamas hat sie die Hoffnung, dass dieser das Vertrauen in moralische Werte wieder stärkt, das auch nötig sei um die Bevölkerung auf längere Sicht an seine gute Sache zu binden und die Welt so positiv verändert werden kann. Für einen "Leitfaden für erwachsene Idealisten", wie es der Untertitel dieses Buches verheißt, reicht es aber meiner Meinung nach nicht, denn dafür ist das Buch schlicht - zu anspruchsvoll und zu komplex. Ich habe es allerdings mit großer Lust gelesen, auch wenn ich den Eindruck habe, dass es mehr polarisiert als zusammenführt. Jürgen Czogalla, 22.05.2011  
                
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