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Philosophisch-ethische Rezensionen
(Erscheinungsdatum der rezensierten Bücher: 20. und 21. Jahrhundert)

Martha C. Nussbaum, Gerechtigkeit oder Das gute Leben, Frankfurt am Main 1999

Martha C. Nussbaum ist eine kritische, moderne Aristotelikerin, die davon überzeugt ist, dass Tugenden für unser Leben wichtig sind und dass sich eine unviersell gültige Bestimmung davon geben lässt, was den Menschen zum Menschen macht und welche Fähigkeiten alle Menschen auszeichnen. Daraus wiederum gelingt es ihr dann Richtlinien aufzustellen, die nötig sind, damit wir alle in gerechten Verhältnissen leben können.

Das Buch um das es hier geht, ist eine Sammlung von fünf zwar außergewöhnlich verständlich geschriebenen Aufsätzen, die sich aber dennoch auf anspruchsvollem philosophischem Niveau befinden, eine tolle Mischung, die die Autorin hier gefunden hat! In ihrer Arbeit zeigt sich Frau Nussbaum auf der Höhe der Zeit, geht auf diverse moderne Kritikpunkte an Aristoteles Ethik ein und entwickelt daraus durchaus originelle eigene Ansätze, wie zum Beispiel ihre Liste der Grundstruktur der menschlichen Lebensform, die gerade nicht auf der Grundlage einer metaphysischen Biologie erstellt wurde, sondern auf den gemeinsamen Mythen und Geschichten unterschiedlicher Orte und Zeiten beruht und die sowohl Fremden als auch Freunden davon erzählen, was es bedeutet ein Mensch zu sein. Diese, wie die Autorin meint, offene Liste (das meint sie ist offen für Ergänzungen oder Kürzungen) einer starken und vagen Theorie (die Autorin ist sich der Gefahr einer Instrumentalisierung einer solchen Liste durch Weltanschauungen bewusst und meint ihr zu entgehen), dient ihr letztlich als Orientierungspunkt um festzumachen, was zu einem geglückten Leben gehört und wie man ein solches geglücktes Leben letztlich auch erreichen kann. Was einem Menschen nicht fehlen darf, damit er auch wirklich noch als Mensch bezeichnet werden kann, sieht für sie so aus: Sterblichkeit, Körper, Fähigkeit zum Erleben von Freude und Schmerz, Kognitive Fähigkeiten, Frühkindliche Entwicklung, Praktische Vernunft, Verbundenheit mit anderen Menschen, Verbundenheit mit anderen Arten und der Natur, Humor und Spiel, Getrenntsein. Daraus sozusagen abgeleitet entwickelt sie dann eine Liste von Grundfähigkeiten, die der Mensch entwickeln sollte um ein glückliches Leben zu führen. Auch diese Liste ist vage genug um für spezifische regionale Besonderheiten noch offen sein zu können.

Ein wunderbares Buch und interessant auch gerade für Anhänger der Rawl’schen Gerechtigkeitstheorie, die sich von einem alternativen, sehr engagierten und sympathischen Gerechtigkeitsentwurf neu inspirieren lassen möchten.

Jürgen Czogalla, 14.08.2011

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