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                Philosophisch-ethische Rezensionen
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Michael Schmidt-Salomon: Jenseits von Gut und Böse. Warum wir ohne Moral die besseren Menschen sind, München 2011, 6. AuflageSchmidt-Salomon gibt in diesem Buch seine humanistisch-aufklärerische, atheistische
   Weltsicht auf besonders klare, leicht verständliche Weise zum Besten. Grundthesen sind etwa, dass wir nicht frei sind indem
   was  wir wollen und dass die Unterscheidung zwischen gut und böse darum nicht zutreffen würde. Er plädiert für die Verbreitung
   des Mems (das sind  ganz allgemein Gedankeneinheiten und Ideen, die er von dem Einfluss auf uns analog sieht zu unseren Genen)
   der Unschuld: Da wir nicht wirklich frei sind in unseren Wahlentscheidungen, trifft uns bei unseren  Missgriffen keine Schuld,
   denn unter denselben Bedingungen zur selben  Zeit müssten wir immer gleich handeln, Schuld sind immer unsere Gene, die Natur
   und die Anderen. Aber in der Anerkenntnis dieses Fakts, so  meint der Autor, wäre alles viel besser: Keine schlimmen
   Schuldgefühle  mehr, kein Fanatismus,
   Entlastung von der eigenen Verantwortung, Gelassenheit und weniger Neid und Stolz, keiner kann ja für sich  alleine was
   für irgendwas dafür. Was man gemeinhin mit der Würde des  Menschen assoziert, wie z.B. dass wir uns frei unsere Ziele und
   Werte  wählen können, dass wir nicht gezwungen von Kausalitäten, sondern frei  aus uns handeln können, wenn wir wollen,
   dass wir für unsere Handlungen  zuwenigstens eine Mitverantwortung haben, das fällt alles weg - und Gut so, ganz toll
   meint der Autor. Darauf die Frucht vom verbotenen Baum zu  essen (das erzählt die Bibel in der Geschichte von Adam und Eva
   über  den Sündenfall) um schlau zu werden kann man getrost verzichten, alles  nur Illusionen und Narreteien, zurück zu den
   Ursprüngen, werden wir  wieder "natürlich". Ich zumindest verzichte allerdings gerne auf solche  "Natürlichkeit",
   wenn ich auch etwa die Kritik des Autors am gut/böse  Fanatismus in der Welt und manchem anderen teile. Aber den einzelnen
   Menschen seiner Verantwortung zu entheben ist dann doch wohl das andere  Extrem. Sicher, anderes ist auch immer eine Mitursache
   meines Tuns,  aber das entscheidende Wort spreche ich. Ich stelle mir meine Freiheit  immer so vor wie eine Aussichtsplattform
   der Ruhe gebaut aus all den  Kausalitäten der Welt. Kein unbewegter Beweger, sondern aus natürlichen  Materialen dazu gemacht,
   die Kausalitäten einmal vergessen zu können,  aus denen sie besteht und den Abstand für das je Eigene zu gewinnen. So  schafft
   die Natur selbst den Raum für das Geistige, für das es bei  Herrn Schmidt-Salomon eigentlich keinen Platz gibt (Freiheit ist
   nichts  "unnatürliches"). Ich finde das zwar traurig, meine aber, dass der  Autor seine Weltsicht gut und sympathisch
   rüberbringt. Wer sich mit  anspruchsvollem, gut verständlich gemachtem Gegenwartsatheismus  beschäftigen will ist
   hier richtig. Jürgen Czogalla, 02.05.2011  
           
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