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Philosophisch-ethische Rezensionen
(Erscheinungsdatum der rezensierten Bücher: 20. und 21. Jahrhundert)

Bernhard Schleißheimer, Ethik heute. Eine Antwort auf die Frage nach dem guten Leben, Würzburg 2003

'Ethik heute' ist als Lehrbuch konzipiert worden, der Autor gibt sich alle Mühe vorkommende Begrifflichkeiten, auch die einfachsten, teils wirklich super gründlich und darum für mich bisweilen auch ermüdend zu erklären. In einem ersten Kapitel „Vorerwägungen zu einer Ethik heute“ geht es darum, um was es bei Ethik eigentlich geht, Einwände gegen eine mögliche Ethik und die Frage nach der Begründung einer Ethik. Das zweite Kapitel gibt eine kurze Geschichte der Ethik zum Besten, von der Antike (hier liegt der Schwerpunkt des Autors bei Platon und Aristoteles) bis zum Mittelalter (Thomas von Aquin) und zur Aufklärung (Kant). Der Utilitarismus wird nur sehr kurz angesprochen, von den ethischen Theorien des 20. Jahrhunderts schaffen es nur Max Scheler mit seiner Werteethik (der sonst, und das wohl ganz zu Recht, kaum noch rezipiert wird, hier aber sehr ausführlich), MacIntrye und Martha Nussbaum. Für ein Buch mit dem Titel „Ethik heute“ berücksichtigt mir der Autor hier gerade das 20. Jahrhundert viel zu wenig, die analytische Schule fehlt praktisch ganz in seiner Darstellung. Ab Seite 147 bereitet der Autor dann seinen eigenen Entwurf in dem Kapitel „Voraussetzung für ein zeitgemäßes Tugendethos: Der Mensch als freie, selbstverantwortliche Person“ vor. Schließlich stellt er ein seiner Meinung nach zeitgemäßes Ethos in seinem Schlusskapitel vor (dafür nimmt er sich jetzt keine 40 Seiten mehr Zeit). Schleißheimer vertritt eine Tugendethik, die er durchaus für tauglich hält zu einem Weltethos werden zu können (sein Entwurf unterscheidet sich hier also etwa zu dem von ihm auch dargestellten Entwurf von MacIntrye). Dabei übernimmt er nicht etwa bloß den aristotelischen Tugendkatalog, sondern nennt neue Tugenden, die unsere heutige moderne Zeit dringend bedarf. Er teilt die Tugenden in 4 Klassen ein: Tugenden, die sich auf Verantwortung für unser Handeln allgemein beziehen, Tugenden, die sich aus unserer Mitverantwortung für Leben und Schicksal unserer Mitmenschen, für die Gesellschaft und für Gemeinschaften ergeben, Tugenden, die sich auf unsere Nachwelt, auf unsere Umwelt und die Natur beziehen und zuletzt noch Tugenden, die sich auf unsere eigene Existenz beziehen.

Ich habe dieses inhaltsreiche Buch im Grunde gerne gelesen, aber richtig warm geworden bin ich dann mit ihm doch nicht. Die vorgeschlagene Tugendethik und den Tugendkatalog des Autors finde ich zwar durchaus hilfreich um ein gutes Leben zu führen, was mich aber interessiert hätte, eine wirkliche Diskussion darüber, ob und inwiefern ein Zusammenhang zwischen universalisierenden Prinzipien und Tugenden bestehen könnte, fehlt. Außerdem werden zwar alle möglichen Begriffe erklärt, gerade aber die Begriffe, die ich für zentral für eine Einführung halte, wie z.B. Kognitivismus und Nonkognitivismus, Intuitionismus und Naturalismus, gut und böse, etc. werden nicht genug gewürdigt, bzw. tauchen erst gar nicht auf. Schließlich ist es für jeden, der keine Altgriechischkenntnisse besitzt ein wirkliches Ärgernis, wenn ständig altgriechische Begriffe genannt und meistens nicht einmal im normalen lateinischen Text paraphrasiert werden, das kann man dann wirklich nicht mehr lesen.

Der Autor selbst ist offensichtlich christlich-religiös geprägt und so ist Gott und das Göttliche häufig auch ein Thema des Buches, allerdings besteht er darauf, dass seine Tugendethik auch eine Ethik für Atheisten sein kann, was meiner Meinung nach auch durchaus zutrifft.

Jürgen Czogalla, 19.10.2012

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