![]()  | 
                Philosophisch-ethische Rezensionen
             | 
  | 
Eberhard Schockenhoff, Grundlegung der Ethik. Ein theologischer Entwurf, Freiburg im Breisgau 2007Das Buch von Herrn Schockenhoff ist 2-geteilt: Einmal haben wir die   Tugendlehre, für ihn der primäre Teil seiner Ethik, zum anderen die   Normtheorie, für Schockenhoff sozusagen das Helferlein der Tugendethik,   das immer dann die Feuerwehr spielt, wenn uns die rechte Motivation für   tugendhaftes Handeln fehlt oder wir bei besonders kniffligen ethischen   Problemen ins Grübeln kommen (für andere Ethiker fängt an diesem Punkt   eigentlich Ethik erst so recht an, nämlich wenn uns etwas merkwürdig   vorkommt und wir nach Begründungen suchen). Die Tugenden, die am Guten   orientiert sind und die wir nach Schockenhoff einüben sollen, sollen uns   sozusagen dazu befähigen "aus dem Bauch" heraus und ganz   selbstverständlich das Gute zu tun und zwar intuitiv. Denn mit dem   britischen Philosophen Moore ist auch Schockenhoff letztlich der   Ansicht, dass das Gute im Grunde nicht definierbar, das aber jeder   gesunde Mensch doch versteht, was damit gemeint ist. Dass das, was wir   als intuitiv Gut bezeichnen aber immer etwas ist, was wir auch durch   unsere Umwelt zum größten Teil auch erfahren müssen scheint mir   allerdings ausgemacht und darum empfinde ich es als ziemlich   überraschend und enttäuschend, dass der Autor in seinem ganzen ziemlich   umfangreichen Buch (über 500 Seiten) auf eine Analyse der moralischen   Situation der heutigen Zeit völlig verzichtet, ja ich habe sogar den   Eindruck, dass er mehr die Zeit Jesu analysiert als zu schauen was es   mit dem heutigen Zeitgeist auf sich hat, was eigentlich nicht ganz ohne   Witz ist. Denn bloß in einer Zeit zu leben heißt noch lange nicht   bewusst und reflektiert zu wissen, welche moralischen Grundströmungen   vorliegen und welche Schwierigkeiten sich dadurch für eine Erkenntnis   des Guten und der Ausbildung und Ausübung von Tugenden ergeben könnten   und vor allem auch wie diese vielleicht zu überwinden sind. Denn seit   Aristoteles und Thomas von Aquin, übrigens zwei sehr gute und   lesenswerte Autoren, auf die Herr Schockenhoff immer wieder rekurriert   (ihn als Schüler von Thomas von Aquin zu bezeichnen ist sicher kein   Fehler), sind schon ein paar Jahrhunderte vorübergegangen, mit   einhergehenden drastischen Änderungen in so ziemlich allen   Lebensbereichen (auch dem religiösem). Eine Tugendethik, die ins Detail   gehen will, wie die von Herrn Schockenhoff, und eine solche Analyse   völlig Außen vorlässt, verliert für mich massiv an Glaubwürdigkeit, wie   sympathisch mir der ganze Ansatz an sich auch sein mag.  Die zwei großen Teile, Tugendethik und Normenethik sind in sich nochmals je zweigeteilt, der Autor verarbeitet sozusagen erst je einen säkularen Teil - der Autor ist davon überzeugt, dass das Gute ohne auf Glauben zu rekurrieren erkannt werden kann -, um dann die christlichen Erweiterungen und Umbildungen an diesem Grundgerüst je aufzuzeigen. Ich bin der Meinung, dass das Buch wegen seiner Komplexität und dem Immer-Wieder-Eingehen auf Detailfragen, mit seinen unendlich vielen lateinischen Zitaten (meistens übersetzt, allerdings immer noch häufig eben nicht), die mich weniger beeindrucken als vielmehr abschrecken, eine schlechte Einführung in die Ethik ist. Das Wesentliche muss man sich nämlich selbst wieder zusammensuchen - und in der Zeit kann man schon besser gleich eine gute Einführung neu lesen. Aber vielleicht ist das Buch auch gar nicht als Einführung gedacht, mir scheint es, dass es seine Leser im akademischen Bereich finden wird. Wer sich übrigens über die christliche Tugend der Liebe (warum soll das eigentlich nicht schon eine "weltliche" Tugend sein?) informieren will wird hier allein mit über 90 Seiten (!) bedient. Als Einführung würde ich eher z.B. das Buch von Ernst Stephan "Grundfragen theologischer Ethik" ausdrücklich empfehlen. Jürgen Czogalla, 28.08.2011  
         
  |