Philosophisch-ethische Rezensionen
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Robert und Edward Skidelsky, Wie viel ist genug? Vom Wachstumswahn zu einer Ökonomie des guten Lebens, München 2013
Wenn es um Wirtschaftspolitik geht, dann hört man immer wieder, wie unverzichtbar das
wirtschaftliche Wachstum ist, genauso wie eine gute, sich immer weiter steigernde Nachfrage nach Konsumgütern.
Das schafft und sichert Arbeitsplätze, bringt allgemeinen Wohlstand und führt dazu, dass wir uns letztlich alle wohlfühlen.
Und die Alternativlosigkeit dieser Zusammenhänge ist ja wohl auch jedem bekannt, oder etwa doch nicht?
Die beiden Skidelskys jedenfalls, der Vater Robert ist Wirtschaftshistoriker, sein Sohn Edward Philosophieprofessor, wagen es die Frage nach dem guten Leben wieder in den Mittelpunkt zu stellen und dann von hieraus zu fragen, wie eine Ökonomie aussehen müsste, die diesem guten Leben letztlich dient und es zur vollen Entfaltung bringt. Nach ihrer Analyse verstellen wir uns das gute Leben durch zu viel Konsumrausch und zu wenig Muße, durch Gier, die sich schon längst von unseren wirklichen Bedürfnissen gelöst hat. Um unsere Ökonomie neu zu justieren, identifizieren sie Basisgüter, die ihrer Meinung nach die Grundlage für ein gutes Leben bilden und an denen sich unser wirtschaftliches Handeln orientieren sollte. Diese Basisgüter – die sie durchaus als ergänzungsfähig ansehen - sind für sie: Gesundheit, Sicherheit, Respekt, Persönlichkeit, Harmonie mit der Natur, Freundschaft und Muße. Die Basisgüter sind für die Autoren nicht nur universell gültig und für ein gutes Leben unbedingt notwendig, sondern auch gut an sich, also nicht bloßes Mittel um etwas anderes zu erreichen. Außerdem sind sie sui generis, d. h. sie sind nicht Bestandteil anderer guter Dinge (so ist zwar z. B. Freiheit von Krebs ein finales und universelles Gut, aber es ist nicht sui generis, denn es ist Bestandteil des höheren Gutes Gesundheit). Schließlich sind alle Basisgüter für ein gutes Leben unersetzlich. Die Folgerungen daraus für eine neue Ökonomie bestehen dann für die Autoren vor allem in der Einsicht, dass es nicht mehr um eine immer stärkere Maximierung individueller (Schein-)Bedürfnisse gehen sollte, sondern der Einzelne sollte sich wieder mehr als Teil einer Gesamtheit betrachten. Als durchaus wegweisend sehen die Autoren in diesem Zusammenhang insbesondere die katholische Soziallehre an. Durch den Niedergang des Religiösen und eine individualistisch verengte Ökonomie würden wir uns ihrer Meinung nach letztlich unserer ethischen Sprache berauben. Sie fordern von der Wirtschaft, dass sie ausreichend Güter und Dienstleistungen für unsere Grundbedürfnisse bereitstellt und uns einen guten Lebensstandard ermöglicht. Zugleich müsse aber der dafür benötigte Arbeitsaufwand beträchtlich reduziert werden, damit die Menschen wieder mehr Zeit für die rechte Muße haben. Zu sorgen wäre für eine gleichmäßigere Verteilung von Vermögen und Einkommen. Und mehr Gewicht sei auf Lokalität, statt auf Zentralisierung und Globalisierung zu legen. Dabei treten sie für einen gemäßigten Paternalismus ohne Zwang durch den Staat ein, der durchaus ein Recht dazu habe, die Basisgüter zu fördern, allerdings ohne dabei das Basisgut der Persönlichkeit zu verletzen. Um ihr Programm zu verwirklichen, erhoffen sie sich die Schützenhilfe der Religionen, denn ohne sie sei es doch sehr zweifelhaft, ob die große Wende gelingen könne. Das Buch der beiden Skidelskys steigert sich von einem zwar durchaus interessanten, aber irgendwie doch gemächlichen Überblick über die Theoriegeschichte rechter Ökonomie hin zu ihrem spannenden Gegenentwurf einer Ökonomie, die das Ziel des guten Lebens hat. Vater und Sohn untermauern dabei ihren visionären Entwurf immer wieder mit harten Fakten und haben meinen Blick in der Tat geweitet. Allerdings hatte ich manchmal das Gefühl, das sie auch hin und wieder ein bisschen in den Bereich des Utopischen abdriften. Das gute Leben wieder in die Mitte zu stellen finde ich aber wirklich einen guten und inspirierenden Ansatz. Ein kämpferisches und auch sehr mutiges, wichtiges Buch, das ich gerne gelesen habe.Jürgen Czogalla, 01.10.2013
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