Philosophisch-ethische Rezensionen
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José Galindo, Héctor Zagal: Ethik für junge Menschen, Stuttgart 2000Geht denn so etwas heute überhaupt noch? Das habe ich mich desöfteren gefragt, als ich mir über die ethische Grundlage dieses Büchleins klar wurde: Die Natur als Grundlage der Ethik. Nach Meinung der Autoren bedeutet ethisch handeln gemäß der menschlichen Natur handeln. In der Natur, so meinen die Autoren, hätte ja auch alles seinen wohlgeordneten Zweck, seine wohlgeordnete Funktion. Das Verhalten von Pflanzen und Tieren entspräche nun allerdings auch voll und ganz ihrer Funktion, denn sie sind determiniert. Sie erfüllen alle ihren Zweck. Auch der Mensch soll seinen Zweck erfüllen, dann handelt er ethisch. Der Mensch sei von Natur aus ein vernunftbegabtes Lebewesen, darum soll er seiner Vernunft folgen, sonst missbraucht er seine Natur. Das Seinen-Zweck-Erfüllen ist denn für die Autoren auch das Gute. Wer gegen seine menschliche Natur handelt, handelt gegen seine Freiheit und erniedrigt sich. Seine Erfüllung fände der Mensch im vernunftgemäßen Lebensstil, im vernünftigen Handeln. Von Natur aus wolle der Mensch glücklich werden, und zwar sehne er sich nach dem vollkommenen Glück, das man nur ineins mit dem vollkommenen Menschsein erreichen kann. Hielte sich der Mensch nur an die natürliche Ordnung, dann werde er auch glücklich. Ethisches Leben bedeute sich zu vervollkommnen und ein glückliches Leben zu führen. Die Regel seines Verhaltens gehe aus seiner Natur hervor. Erkennen wir nur die Wahrheit unseres Wesens, dann wissen wir auch, was wir zu tun haben. Der Wert einer ethischen Handlung ergibt sich für die Autoren aus dem natürlichen Zweck der Handlung und der Absicht des Handelnden.
Gegen eine solche Ethik basierend auf einem angenommenen natürlichen Sittengesetz, das lange Zeit gerade für das europäische Denken prägend gewesen ist, ist sehr viel Kluges und Wichtiges gesagt worden, sei es dass man gegen das Zweckdenken auf Darwin verwiesen hat, oder auf die grausame Natur die oft unbarmherzig mit dem Menschen umspringt; oder sei es, dass man darauf verweisen kann, dass die Moralvorstellungen der Menschen eine Geschichte haben und nicht ewig gleichgeblieben sind; oder man kann schließlich auch darauf hinweisen, dass aus einem Sein kein Sollen abgeleitet werden kann und anderes mehr (wobei letztgenannter Einwand für viele geradezu tödlich ist). Aber zu dieser ganzen wirkmächtigen Kritik (andere neuere Einführungen in die Ethik übergehen diese ethische Richtung gerne gleich ganz mit dem Hinweis „Aus Sein kein Sollen!“) kein Wort von den Autoren. Warum schweigen sie? Möchten sie die jungen Leute vielleicht nicht überfordern? Eine Auseinandersetzung mit der Moderne findet nicht statt. In einem zweiten Kapitel handeln die Autoren ethische Lehren anhand von prägenden Gestalten der Philosophiegeschichte kurz ab (82 Seiten), in einem dritten Kapitel gehen sie auf ethische Probleme kurz ein (41 Seiten): Drogen, Ökologie und Achtung der Natur, Todesstrafe, Angriff der Massenmedien auf die Privatsphäre, Sex und Gewalt im Fernsehen. Jürgen Czogalla, 21.06.2010 |