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                Philosophisch-ethische Rezensionen
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Frans de Waal, Primaten und Philosopen. Wie die Evolution die Moral hervorbrachte, München 2011Das Buch gliedert sich in 3 Teile. Der erste Teil ist der  Beitrag von de Waal, der für das ganze Buch den Anstoß gegeben hat: “Moral als  Ergebnis der Evolution“. Darin spricht sich de Waal gegen die von ihm  sogenannte „Fassadentheorie“ aus, für die es seiner Meinung nach keine  empirischen Belege gibt, nämlich dass der Mensch im Grunde ein böses, asoziales  Wesen sei, dass nur sozusagen durch eine dünne äußere moralische Schicht daran  gehindert werde allzu destruktiv zu handeln. Dieser Theorie zufolge ist der  Mensch von Natur aus auf sich selbst bezogen und geht nur seinem Eigeninteresse  nach. Er ist von Natur aus kein soziales Wesen. Dagegen kommt von de Waal die gute  Botschaft, und für diese hat er im Laufe seiner Forschungstätigkeiten auch eine  Menge bestätigende empirische Daten sammeln können (z.B. an der vergleichenden  Verhaltensforschung an Schimpansen und Bonobos), dass wir durch und durch  soziale Wesen sind. So wendet er sich auch gegen die verbreitete abendländische  Tendenz Emotionen und soziale Bindungen zugunsten bloßen Kopfdenkens, bloßer  Rationalität einseitig abzuwerten. Mit Darwin ist er der Meinung, dass die  Evolution Tiere begünstigt, die einander helfen, wenn daraus langfristige  Vorteile entstehen im Gegensatz zum kurzfristigen Nutzen einer rein  selbstbezogenen Handlung. Dass es schon bei nicht-menschlichen Primaten  Empathie, Trösten, Dankbarkeit, Gemeinsinn und ein Gefühl für Fairness gibt weist  er dann mit vielen Beispielen aus seiner Forschungspraxis nach. Und das ist  auch unser Kern, unsere Wurzel und keine bloße Tünche. Sie rührt nach de Waal in  ihrem Innersten und Ursprünglichsten in der Fähigkeit emotionaler Übertragung  (automatische emotionale Beeinflussung). Die natürliche Auslese mag ein  gnadenloser und grausamer Prozess sein, ihr Ergebnis kann und ist in diesem  Fall trotzdem gut und kooperativ.
       In einem zweiten Teil (“Kommentare“) antworten dann bedeutende zeitgenössische Philosophen (R. Wright, C.M. Korsgaard, P. Kitcher, P. Singer) kritisch auf de Waal, wobei sich die Differenzen aber in Grenzen halten und sich die Kommentatoren mehr damit beschäftigen was den anderen Primaten uns gegenüber fehlt, als mit dem, was wir gemeinsam haben. In einem dritten Teil, „Antwort auf die Kommentatoren“, geht de Waal noch einmal auf einige Punkte seiner Kritiker in seinem Beitrag „Turm der Moral“ ein, in dem er unter anderem die drei Ebenen der Moral vorstellt und zeigt, bis wohin seiner Meinung nach uns die anderen Primaten und höheren Säugetiere noch folgen können. Eingeleitet wird das Buch durch eine gelungene Einführung von Josiah Ober und Stephen Macedo. Ich finde das Konzept des Buches, dem wichtigen grundlegenden Beitrag kritische Antworten von Philosophen hinzuzufügen, sehr gelungen. Das schärft den eigenen Blick und klärt möglicherweise einige eigene Fragen, die de Waals Beitrag einem gestellt haben mag, ab. Allerdings teilen alle Autoren die Ansicht, dass so etwas wie die Evolution wirklich stattgefunden hat. Das Buch ist außerdem nicht zu schwierig zu lesen, so dass ich es als populärwissenschaftliche Biologie, bzw. Philosophie einordnen möchte. Mein Horizont wurde erweitert, Dank an die Autoren für ihre interessanten, engagierten Beiträge. Jürgen Czogalla, 18.11.2011  
      
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