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Philosophisch-ethische Rezensionen
(Erscheinungsdatum der rezensierten Bücher: 20. und 21. Jahrhundert)

Markus Rüther, Sinn im Leben. Eine ethische Theorie, Berlin 2023

Der Autor versucht in seinem Buch zu klären, was ein sinnvolles Leben ausmacht und nennt die Kriterien die notwendig, hinreichend oder auch lediglich additiv zu einem sinnvollen Leben gehören. Er selbst vertritt einen ontologischen Objektivismus, der meint, ein sinnvolles Leben werde erreicht und als solches erkannt, wenn es sich am Wahren (beispielhaft das Leben von Einstein), Schönen (z.B. Picasso) oder Gutem (z.B. Mutter Theresia) ausrichtet. Dabei gesteht er die Möglichkeit der Konzentration auf eines dieser Bereiche zu, um ein sinnvolles Leben zu erreichen. Sie sind also gleichberechtigt und gleichwertig. Als nicht notwendig oder hinreichend benennt er etwa das glückliche Leben, denn er meint auch ein unglücklicher Mensch kann immer noch ein sinnvolles Leben führen. Dennoch kann natürlich seiner Meinung nach ein glückliches Leben insgesamt zu einem größerem Sinnplus führen. Er versucht sowohl zum einen sozusagen die Minimalbedingungen für ein sinnvolles Leben aufzuweisen, nennt dann aber auch Kriterien für ein seiner Meinung nach außerordentlich sinnvolles Leben. Mit aktuellen Theorien der Sinntheorie (Wohlergehen und Sinn, Moral und Sinn, Kosmische Harmonie und Sinn, Handlungskonsequenzen und Sinn) setzt er sich auseinander und sucht ihre Schwachpunkte offenzulegen, die er mit seiner eigenen Theorie zu beheben vermeint. Dabei appelliert er immer wieder an Intuitionen, empirische Daten von Menschen, die selbst erzählen, was ihr Leben sinnvoll oder sinnlos macht, legt er keine vor. Das mag daher kommen, dass er der individuellen Selbstbeurteilung wenig Bedeutung zuweist, denn Sinn lässt sich ja für ihn objektiv feststellen.

Mich überzeugt seine objektive Sichtweise nicht wirklich. Er meint zum Beispiel, dass auch eine ganz unglückliche Mutter Theresia, die selbst am Sinn ihres Lebens verzweifeln würde, immer noch ein sinnvolles Leben führen würde, weil sie ja so viel Gutes tut. Ich teile eine solche Intuition nicht. Sondern, wer ein unglückliches Leben führt, das er selbst als sinnlos empfindet, bei dem läuft definitiv etwas falsch, selbst wenn er z.B. sehr viel Gutes tut, schöne Kunstwerke schafft oder wichtige wissenschaftliche Werke veröffentlicht. Er sollte also sein Leben ändern. Mit einer rigorosen objektivistischen Theorie wird im Grunde demjenigen, der sein Leben lebt, die Kompetenz abgesprochen, sein eigenes Leben zu beurteilen. Es genügt also meiner Meinung nach - im Gegensatz zu Rüther - nicht, dass wir alle finden ein Leben sei sinnvoll, sondern die Person muss es selbst auch so empfinden oder ihr Leben eben ändern, wenn das nicht der Fall ist, egal was vermeintlich objektive Beurteiler davon halten mögen. Denn das Leben ist zu kurz, um es nur mit Tätigkeiten zu verschwenden, die einen permanent nicht erfüllen. Ebenfalls nicht überzeugt mich der Autor mit seinem Ansatz, dass der Sinn des Lebens sich sozusagen nur ergibt, wenn wir etwas leisten (im Bereich des Schönen, Wahren oder Guten). Tatsächlich erscheint es mir ganz offensichtlich, dass uns einfach viel Sinn geschenkt wird, einfach durch die Gemeinschaft, in der wir leben und den liebevollen Beziehungen, die wir knüpfen. Dieser ganze sinnstiftende Bereich kommt praktisch in seiner Theorie gar nicht vor, beziehungsweise wird stark abgewertet. Mit einem Wort: Mich hat das Buch nicht überzeugt. Eine Abwertung oder Abtrennung der Frage vom Sinn im Leben und einem geglückten Leben halte ich für verfehlt.

Jürgen Czogalla, 07.05.2023

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