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Philosophisch-ethische Rezensionen
(Erscheinungsdatum der rezensierten Bücher: 20. und 21. Jahrhundert)

Ray Monk, Die letzten Monate in Wittgensteins Leben

Wittgenstein litt zuletzt unheilbar an Prostatakrebs. Seit Januar 1951 brauchte er ständige medizinische Betreuung. Er erhielt Hormonbehandlungen und Bestrahlungen. Dr. Bevan, sein Arzt, bot ihm an, dass er in sein Haus ziehen könnte. Wittgenstein nahm an. Wittgenstein war ein anspruchsvoller Gast, der voraussetzte, dass sein Bad eingelassen und seine Mahlzeiten pünktlich serviert wurden. Er bestand auf einen Tagesablauf nach strengem Muster. Selbstverständlich war auch, dass er nichts zahlte, auch nicht für die Einkaufslisten, die er Frau Bevan regelmäßig auf den Tisch legte. Er freundete sich schließlich mit Frau Bevan an und sie gingen jeden Abend um 18:00 gemeinsam in den örtlichen Pub. Ende Februar wurden die Hormonbehandlung und die Bestrahlung als aussichtslos abgesetzt. Während der letzten beiden Monate seines Lebens schrieb Wittgenstein die Hälfte aller Bemerkungen von "Über Gewissheit". Viele halten diesen Text für den Klarsten, den er je geschrieben hat. Die letzten Bemerkungen hierzu schrieb er am 27.04.1951, einen Tag bevor er ins Koma viel. Tags zuvor hatte er noch seinen 62. Geburtstag gefeiert. Als er von Frau Bevan eine elektrische Heizdecke geschenkt bekam und sie ihm gratulierte, starrte er sie an und erwiderte, dass es nichts mehr zu gratulieren gebe. Denn er wusste, dass es mit ihm zu Ende ging. Am nächsten Abend hatte er dann nach der Rückkehr vom Pub eine schwere Krise. Als Dr. Bevan ihm sagte, dass er nur noch wenige Tage zu leben habe, sagte er "Gut!" Frau Bevan blieb in der Nacht zum 28. an seinem Bett und sagte ihm, dass am nächsten Tag seine engsten Freunde zu Besuch eintreffen würden. Bevor er endgültig das Bewusstsein verlor, bat er sie: "Sagen Sie ihnen, dass ich ein wundervolles Leben hatte."

Jürgen Czogalla, 27.01.2024