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Philosophisch-ethische Rezensionen
(Erscheinungsdatum der rezensierten Bücher: 20. und 21. Jahrhundert)

Hanno Sauer über die Ursachen der Glaubwürdigkeit von Fake News

Fake News, so weiß Sauer, sind Unwahrheiten, Lügen, Unsinn und Propaganda, die sich als seriöse Nachrichten ausgeben. Seiner Meinung nach entstehen sie nicht durch ein Defizit, sondern durch einen Überfluss an Informationen, die unsere begrenzten Fähigkeiten überfordern und den Wunsch aufkommen lassen, der dadurch entstehenden Gefahr einer Orientierungslosigkeit zu entkommen. Fake News präsentieren vermeintlich klare Fakten verknüpft mit scheinbar eindeutigen Feindbildern und preschen so in diese Bresche. Die Idee, so meint Sauer, dass die Verbreitung von Fake News auf individuelle Defizite und kritischem Denken und rationalen Fähigkeiten zurückzuführen sei, kann die rapide Zunahme an Fake News nicht erklären, da sich die Fähigkeit zu kritischem Denken in der Gesellschaft in den letzten Jahren nicht so rapide verschlechtert haben kann. Vielmehr ist dieses Phänomen auf strukturelle Gründe zurückzuführen. Die Echokammern-Erklärung ist für ihn ein Mythos, denn tatsächlich werden wir mit mehr Informationen konfrontiert und wissen besser, was andere Menschen um uns herum glauben. Polarisierung, so weiß er, geschieht durch identitätsbasierte Selbstorientierung und gruppenorientierter Kalibrierung von Überzeugungen und nicht durch soziale Segregation. Er stellt dann die Filter dar über die wir verfügen, um zu entscheiden, von wem wir lernen sollten und von wem eben nicht. Hier verlassen wir uns auf eine Fülle von Hinweisen, über die wir auf Vertrauenswürdigkeit von Informationen schließen, so z.B. Akademische Grade und geteilte Werte. Um diese Entscheidung zu treffen, so Sauer, verlassen wir uns auf Belege zweiter Ordnung. Belege erster Ordnung sind Belege dafür, was die Tatsachen sind, wie z.B. das Thermometer für die Temperatur. In fast allen Fällen fehlt uns selbst aber die Kompetenz diese Belege erster Ordnung selber zu bewerten. Wir brauchen Belege zweiter Ordnung, die uns vermitteln, was wir von Belegen erster Ordnung zu halten haben. Das geschieht fast immer, so Sauer, indem wir andere Personen identifizieren, deren Einschätzung wir uns anschließen können. Hier sind es vor allem geteilte Werte und die Zugehörigkeit zur selben sozialen Gruppe, die uns an bestimmte Menschen glauben lassen und an bestimmte Menschen eben nicht. Aus solchen Netzwerken des Vertrauens, so Sauer, erklärt sich die Empfänglichkeit für Fake News. Nicht aus individuellen Defiziten, sondern einer beschädigten Umwelt der Wissenstransmission entsteht also Desinformation. Hier verbinden sich der Fluss von Information, die Teilung von Wissen, Vertrauen und Bindung an Werte und Gruppenidentitäten auf toxische Weise.

Jürgen Czogalla, 03.06.2023