Philosophisch-ethische Rezensionen
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Robert B. Brandom, Wiedererinnerter Idealismus, Berlin 2015Im Vorwort erfährt man, dass das Buch der Auftaktband der neuen Buchreihe
„Analytischer Deutscher Idealismus“ ist, mit der die Herausgeber sichtbar machen wollen, dass die Philosophie des
deutschen Idealismus in keinem Gegensatz zur analytischen Philosophie steht. Sie wird viel mehr als deren Maßstab und
Fluchtpunkt gesehen.
Leider kann man aus dem Cover des Buches nicht ersehen, dass es sich nicht um einen neugeschriebenen Band des Autors, sondern eben nur um eine Zusammenstellung von Aufsätzen und Vorträgen von ihm handelt, was man dem Nachwort des Buches entnehmen kann. Das hat dann beim Lesen unter anderem die für mich zumindest unangenehme Konsequenz, dass sich in den einzelnen Beiträgen Themen durchaus redundant und zum Teil auch mit denselben Beispielen angereichert wiederholen, was mich doch bisweilen etwas ermüdet hat. Insgesamt bestimmt der Autor als sein Ziel einigen Ideen des deutschen Idealismus neues Leben einzuhauchen. Er versucht ihn im folgenden insbesondere aus semantischer Perspektive zu lesen. Während er in seinem ersten Beitrag „Normen, Selbste, Begriffe“ noch ein bisschen der Entwicklung des Verständnisses des Verhältnisses von Erscheinung und Wirklichkeit von den alten Griechen hin zu Kant und schließlich die Weiterentwicklungen dieser Gedanken und Neuerungen, die Hegel einbringt, nachgeht, so liegt sein eigentlicher Interessenschwerpunkt über den ganzen Band hin gesehen allerdings der Philosophie Hegels mit dem Schwerpunkt, eine zugängliche Interpretation seiner „Phänomenologie des Geistes“ zu erreichen, die gerade auch für gegenwärtige analytische Philosophen Brandoms Meinung nach nicht nur interessant, sondern auch sehr lehrreich ist. Dabei weist Brandom auch immer wieder auf Parallelen im Denken Hegels und dem des US-amerikanischen analytischen Philosophen Willard Van Orman Quine (gestorben 2000) hin. Dabei versucht er etwa auch, Hegels Auffassungen zu empirischen und logischen Begriffen zu vergleichen, wobei er insbesondere dessen Behauptungen über das Wesen empirischer Begriffe zu seinen vielversprechensten und interessantesten begrifflichen Neuerungen rechnet. Allerdings irrt er sich seiner Meinung nach, wenn er meint, die Aufgabe zur Herstellung expressiver Instrumente anhand deren wir explizit machen, was im Prozess der Bestimmung empirischer begrifflicher Inhalte schon implizit enthalten sei, sei endlich und endgültig abschließbar oder seine vorgetragene Überzeugung, er habe bereits ein solch vollständiges Organon bereits mit seinem System vorgelegt zu haben. Dagegen behauptet Brandom eine Art von logischer Unerschöpflichkeit: Es wird immer wieder neue Gesichtspunkte dieses Prozesses geben. Als eine weitere besonders herausragende Leistung Hegels sieht er in dessen Erklärung der Aushandlung und Verwaltung der Struktur und des Inhalts begrifflicher Normen. Brandoms Buch ist so richtig schön schwer, vergleiche ich es aber mit der Lektüre, die er hauptsächlich interpretiert, nämlich die Philosophie Hegels, so ist es nichtsdesdotrotz eine echte Erleichterung. Hier wird nämlich das oft unklare, bildhafte und schwankende Geschwafel von Hegel in eine klare analytische Sprache hin übersetzt, und das ist denn auch die eigentliche und wirklich großartige Leistung, die Brandom gelingt. Insgesamt eine spannende Lektüre, die auch durchaus als Einleitung in die wichtigsten Grundstrukturen, die Hegels Werk zugrunde liegen, gelesen werden kann und die Mut macht, sich wieder einmal mit Originaltexten von Hegel zu beschäftigen. Brandom steht im übrigen Hegel zweifellos sehr positiv gegenüber, sodass er den Abstand, der uns im Grunde von ihm trennt, in seiner Interpretation meiner Meinung nach bisweilen zu sehr zusammenschrumpfen lässt und zu wenig verdeutlicht. Jürgen Czogalla, 11.04.2015
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