Philosophisch-ethische Rezensionen
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Emanuele Coccia, Metamorphosen. Das Leben hat viele Formen. Eine Philosophie der Verwandlung, München 2021Coccia stellt die These auf, dass wir alle im Anfang ein Leben waren,
wir uns denselben Körper und dieselbe Erfahrung teilten. In der Zwischenzeit haben wir seiner Meinung nach unsere
Lebensformen und Seinsweisen vervielfältigt, aber wir haben immer noch ein und dasselbe Leben. Darum beginnt das
Leben eines jeden einzelnen Lebewesens auch nicht erst mit seiner Geburt. Die Menschheit ist eine Fortsetzung und
eine Metamorphose früheren Lebens. Die Spezies sind, allem Wechsel und Masken zum Trotz, für ihn eine Metamorphose
des Lebens. Deswegen versteht er die Spezies auch nicht als Substanzen oder reale Entitäten, sondern als Lebensspiele.
Desweiteren besteht für ihn zwischen Lebendigem und Nicht-Lebendigem keinerlei Gegensatz. Das Lebendige steht in
Kontinuität mit dem Nicht-Lebendigen, es ist deren Fortsetzung und Metamorphose, das Leben als Reinkarnation des
Nicht-Lebendigen und ein Karneval der irdischen Substanz des Planeten. Metamorphose versteht er als die Kraft durch
die das Lebendige sich in verschiedenen Gestalten entfaltet und vermöge dessen sich die unterschiedlichen Gestalten
miteinander verbinden und von einer in die andere übergehen. Wir leben alle dasselbe Leben, wie alles was uns umgibt.
Alles hat ein Leben, ein Ich und eine Innigkeit wie der Körper unseres Kindes. Mit seinem Buch will der Autor aufzeigen,
dass diese Beziehung nicht nur für Raupe und Schmetterling gilt, sondern zwischen allen Körpern der Welt und allen lebenden
Körpern und der Erde:
Das Leben als der Schmetterling der Riesenraupe Gaia, denn das Leben ist für ihn die Metamorphose
unseres Planeten.
Der Autor präsentiert seine phantastische These in blumiger und oft von sich selbst trunkener Sprache, was womöglich einer gewissen poetischen Kraft förderlich sein mag - das Buch liest sich tatsächlich gut -, aber sicher nicht einer hinreichend philosophischen Ausdrucksform. Wie sollte sie auch? Der Autor überschreitet für mich die Linie des philosophisch Seriösen in einen Esoterischen und irgendwie womöglich auch religiösen Bereich hinein. Und ergeht sich ständig in für mich zum Teil haarsträubenden Simplifikationen. Meine Erwartungen an Philosophie sind anders: Nicht trunken, sondern klar begründen. Dann könnte man mit diesem Thema vielleicht doch noch irgendetwas anfangen, denn Metamorphosen sind tatsächlich um uns herum klar wahrnehmbar, auch wenn mein Ich ganz sicher nicht, wie der Autor vermuten lässt, in einem Stein oder einem Atom steckt, und ein Apfel ist sicher auch etwas ganz anderes als ein Stein. Das alles bedeutet aber nicht zwingend, dass man sich der Erde nicht verbunden fühlen kann, wir kommen ja tatsächlich von ihr, aber der Autor schießt für mich einfach weit über das Ziel hinaus, wenn er die Unterschiede zwischen Dingen und Lebewesen auf diese Weise entgrenzt. Der Autor bleibt für mich einfach nicht mehr auf dem Teppich. |