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Philosophisch-ethische Rezensionen
(Erscheinungsdatum der rezensierten Bücher: 20. und 21. Jahrhundert)

Clare Mac Cumhaill & Rachael Wiseman, The Quartet. Wie vier Frauen die Philosophie zurück ins Leben brachten, München 2022

Das Buch erzählt die Geschichte von 4 bedeutenden britischen Philosophinnen des 20. Jahrhunderts, die auch eng befreundet und zusammen in Oxford studiert haben: Elizabeth Anscombe, womöglich die begabteste der 4, Philippa Foot (geb. Bosanquet), von der das Trolley-Gedankenexperiment stammt, Iris Murdoch, die als Romanautorin eigentlich bekannter ist als Philosophin und die von den vieren die wohl anziehendste Persönlichkeit besaß, und Mary Midgley, die alle ihre etwa gleichaltrigen Freundinnen überlebte und 2018 im Alter von 99 Jahren verstarb. Die 4 begannen ihr Studium in Oxford, so erfährt man aus dem Buch, ziemlich gemeinsam kurz vor dem Einmarsch der deutschen Truppen in Österreich. Später wurden dann die meisten jungen Studenten zum Kriegsdienst eingezogen und die jungen Studentinnen waren mehr oder weniger unter sich. Alle 4 entwickelten ihre Philosophie besonders in Auseinandersetzung mit 2 britischen Starphilosophen der damaligen Zeit, Ayer und Hare, die nicht an die Möglichkeit objektiver moralischer Urteile glaubten. Das fanden alle 4 unerträglich und debattierten das natürlich auch immer wieder untereinander. Eine weitere wichtige Person im Leben der Philosophinnen ist unter anderem Wittgenstein (gestorben 1951) und seine Philosophie gewesen, mit dem Anscombe befreundet war und die einige wichtige seiner Werke ins Englische übersetzt hat. Zudem wimmelte es bald in Oxford von exilierten Geistesgrößen, die eine Gelehrsamkeit vermittelten, die in Oxford vorher unbekannt war.

Das Buch beginnt und endet mit einer Episode aus dem Jahr 1956 als sich Anscombe, da bereits Dozentin in Oxford, vergeblich, aber mutig gegen die Verleihung der Ehrendoktorwürde an den US-Präsidenten Truman durch die Universität Oxford aussprach, weil er für den Abwurf der Atombomben in Japan verantwortlich war und dem sie deswegen Massenmord vorwarf. Die Autorinnen haben Mary Midgley noch selbst kennengelernt und sich viel mit ihr über alte Zeiten unterhalten. Und sie hat ihnen ihr Archiv vermacht.

Mit dem Buch kann man detailliert und atmosphärisch sehr gut in das Oxforder Studentenleben eintauchen. Man erfährt für welche Dozenten sich die 4 begeisterten und für welche nicht, in welchen Colleges sie waren, ja sogar wo sie etwa im Speisesaal gesessen haben mögen. Und natürlich auch die anderen studentischen Kontakte und die Beschränkungen und Vorurteile, denen Frauen noch unterworfen waren (Anscombe wurde z.B. verwarnt, weil sie in Hosen dozierte). Das Buch enthält außerdem zahlreiche Fotos aus der Zeit. Nach dem Studium werden die ersten Erfolge aber auch Pleiten der 4 referiert und in welche philosophische Richtung sie sich bewegten, was sie philosophisch umtrieb. Die 4 Leben in einem Buch zu vereinen gelingt den Autorinnen, die akribisch recherchiert haben, im Großen und Ganzen recht gut, aber manchmal ist es mir mit der Akribie auch ein bisserl zu viel und ich hätte mir hie und da eine Straffung gewünscht. Der Schreibstil ist aber für mich O.K.. Und: Es ist ein wichtiges Buch zur Geschichte der Philosophie des 20. Jahrhunderts, zumal es endlich einmal um Frauen geht, die die Männer von ihren Irrwegen abbringen und zeigen wollten wo es langgeht. Dabei ist es aber schön zu sehen, dass sie dabei durch und durch hochbegabte Philosophinnen und immer auf der Suche waren. Immer wieder haben sie sich hinterfragt und waren eben nicht 100% sicher ob sie in allem richtig lagen, und so sind sie dann auch aufgetreten. So taugen also alle 4 als große philosophische Vorbilder, selbst wenn man ihre Meinungen nicht immer zu teilen braucht. Ein spannendes Buch!

Jürgen Czogalla, 23.04.2022

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