Philosophisch-ethische Rezensionen
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Richard Dawkins, Atheismus für Anfänger, Berlin 2019Richard Dawkins ist einer der wirkmächtigsten und bekanntesten
intellektuellen Atheisten unserer Zeit. Mit seinem Buch möchte er junge Menschen, sobald sie alt genug sind, für sich
selbst zu entscheiden, davon überzeugen, Atheisten zu werden. Dass es keine Götter gibt, so erzählt er es dem Leser,
ist zu beweisen unmöglich. Wir wissen dies ebenso wenig, wie wir beweisen können, dass es keine Trolle, Einhörner oder
Feen gibt. Oder den Osterhasen oder den Weihnachtsmann. Denn wir können uns unzählige Dinge ausdenken, die uns niemand
widerlegen kann. Was Dawkins braucht, um an Gott glauben zu können, ist ein guter Grund und den findet er nicht. Im
Fokus seiner Kritik ist das Christentum, aber immer mal wieder ein paar Schlenker in Richtung des Islam. Er sät Zweifel
bezüglich der Überlieferungsgeschichte etwa der Bibel, indem er darauf hinweist, dass schon über eine "stille Post" von
10 Leuten, der zehnte eben nicht mehr dasselbe sagt, wie der Erste. Geschichten werden dann immer weiter ausgeschmückt
und verändert. Er verweist außerdem immer wieder hier und dort auf ein paar der besonders archaischen Stellen in Bibel
und Koran hin, die auf heutige Leser brutal und abstoßend wirken. Er erwähnt zum Beispiel, dass Gott den Israeliten
befohlen hat, bei der Landnahme bei der Eroberung von Städten den Bann zu vollstrecken, also alle Männer, Frauen, Kinder
und Vieh des Gegners zu töten, wie es in der Bibel nun einmal steht, oder dass er Abraham befohlen hat, seinen Sohn Isaak
als Opfer zu schlachten, oder wie er über Job verschiedene Plagen kommen lässt und so fort. Auch die Geschichte mit der
Arche Noah und den Tieren kann er als Evolutionsbiologe natürlich nicht ernst nehmen, wenn er es als bloße Geschichte
auch doch irgendwie für bezaubernd hält. Außerdem meint er, dass das Alte Testament sowieso nur in ein Schattenreich
der Mythen und Legenden führt, deren Historizität auch gegenwärtige Bibelforscher nicht sonderlich ernst nehmen. Aus
all dem zieht er die Schlussfolgerung, dass der Gott, so wie es in den heiligen Büchern steht, gar nicht wirklich gut
und verehrungswürdig ist. Im neuen Testament ekelt ihn besonders die Vorstellung an, dass Gott, um die Sünden zu vergeben,
seinen Sohn Jesus foltern und kreuzigen lassen musste, da nur so die riesengroße Schuld der Menschheit beseitigt werden
konnte - durch Gottes eigenes Blutopfer. Dawkins meint, ein wahrhaft gütiger Gott hätte da einfach gesagt: "Entspannt
Euch mal. Es ist nicht nötig die Nägel durch die Hand meines geliebten Sohnes zu schlagen, ich vergebe Euch ohnehin."
Auch die Meinung, man müsste gläubig sein, um ein guter Mensch zu sein, verneint er. Er nimmt hier mit gegenwärtigem
Blick etwa die einzelnen Punkte der zehn Gebote aus der Bibel unter die Lupe und stellt fest, dass sie schon etwas
veraltet sind und nicht wirklich mit etwa den Gesetzen moderner Demokratien mithalten können. Wir sollten seiner Meinung
nach unser Richtig und Falsch nicht aus der Bibel holen, weil wir in der Zwischenzeit weitergekommen sind und es bei
uns zum Glück nicht mehr wie vor ein paar Jahrtausenden so aussieht, dass Frauen und Sklaven der wertvollste Besitz der
Männer waren. Wir steinigen heute auch niemanden mehr, der am Sabbat arbeitet oder der andere Götter anbetet (oder eben
gar keine mehr, wie Dawkins). Unsere heutige Moral unterscheidet sich also - zum Glück - stark von der Moral der Bibel,
so Dawkins.
In dem zweiten Teil seines Buches - das macht dann auch etwa die Hälfte des Buches aus - weist er insbesondere darauf hin, dass
die moderne Wissenschaft bewiesen hat, dass der Gedanke eines göttlichen Gestalters grundfalsch ist. Was entstanden ist, ist
natürlich via Evolution entstanden, die Dawkins nochmal erklärt - und keiner kann das wohl besser als er. Er ermutigt dann die
jungen Leute dazu Mut mithilfe der Wissenschaft zu fassen, die oft zu Ergebnissen kommt, die dem sogenannten gesunden
Menschenverstand widersprechen, aber doch nachweislich richtig sind. Sie wartet mit Überraschungen auf, die verblüffen und
manchmal sogar schockieren können. Man braucht Mut, um der Vernunft zu folgen. Wissenschaft ist aber nicht nur beängstigend,
sondern zugleich auch wunderschön. Dawkins fordert dazu auf, sich von tröstlichen und langweiligen Sicherheiten zu lösen und
die wilde Wahrheit anzunehmen. Er fordert die jungen Menschen dazu auf, ihren Mut in beide Hände zu nehmen, erwachsen zu werden
und alle Götter aufzugeben.
Dawkins legt in der Tat immer wieder Finger in die Wunden. Wer die Bibel wirklich einmal von vorne bis hinten durchliest, wird hie und da tatsächlich auf Absonderliches und Abstoßendes stoßen - Dinge die in der eigenen christlichen Gemeinde keiner vertritt und die mit der eigenen Gotteserfahrung und Gottesbeziehung gar nichts mehr zu tun haben. Das kann aber nicht weiter verwundern, denn die Schreiber der Bibel waren immer auch Kinder ihrer Zeit, und dieser sehr lange zeitliche Abstand wird dem Leser auch immer wieder deutlich. Was bleibt, sind die Erfahrungen, die diese Schreiber mit Gott gemacht haben und wie sie sein Wirken in ihrer Welt und in ihrem Leben erkannt haben. Es ist darum weder möglich noch angebracht, dass Christen alles wörtlich aus der Bibel befolgen. Es steckt aber ein guter Geist in ihr und von dem kann man sich auch heute noch inspirieren lassen. Und wenn man das weiß, dann perlt die Kritik von Dawkins ab, auch wenn man seinen Standpunkt versteht. In seinem Buch verbindet Dawkins seinen Atheismus eng mit der modernen Wissenschaft, sie ist Basis und Grund seiner Kritik am Theismus. Diese Verbindung ist aber nicht so zwingend, wie sie Dawkins darstellt. Natürlich können sich auch Theisten für moderne Naturwissenschaften begeistern. Sie sollten dabei aber der Versuchung widerstehen den Naturwissenschaft Vorschriften zu machen, etwa mit dem Zitieren von Bibelstellen. Die naturwissenschaftlichen Kenntnisse der Bibelschreiber sind nämlich tatsächlich schon angestaubt - kein Wunder, so alt sind die Bücher der Bibel schon! Auch wenn Ergebnisse der modernen Naturwissenschaften zu eigenen, liebgewordenen theologischen Lehrgebäuden nicht passen wollen ist das ein wirklich schlechtes Argument gegen deren Ergebnisse. Dann stimmt vielmehr etwas mit der Bibelauslegung nicht. Das kann man meiner Meinung nach von Dawkins lernen. Gutes Buch! |