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                Philosophisch-ethische Rezensionen
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Anne Dufourmantelle, Lob des Risikos. Ein Plädoyer für das Ungewisse, Berlin 2018Das Lob des Risikos stimmt die Autorin nicht im Abstrakten, Allgemeinen an,
         sondern sucht sie im Konkreten und Bestimmten. In über fünfzig kleinen Kapitelchen geht sie dem Risiko nach, sei es etwa,
         wenn wir unser Leben riskieren, unsere Familie verlassen, uns ins Unbekannte vorwagen, 
         alles in der Schwebe lassen, in
         die Einsamkeit eintauchen, uns der Schönheit oder der Metapher hingeben oder revoltieren und so vieles mehr. Oft betont
         sie, dass ein bisschen Wahnsinn zum Risiko gehört, ein Vorstoßen ins Unbekannte, ein Hinterfragen von gewachsenen
         Beziehungen und Normen, das seine Wurzeln im Unüberprüfbaren und Ungewissen hat. Ein körperliches Bekenntnis zum
         Unbekannten, Dunklen, Nicht-Gewussten, ein Wagnis, das sich nicht entscheiden lässt. Das Ergebnis erscheint wie als eine
         neue Geburt, etwas Ungeheures, was seinen Preis wert ist. In vielen ihrer Texte ist von dem Risiko der Liebe die Rede,
         eine Liebe, so weiß die Autorin, die manchmal eisig sein kann, zu der Irreparables, Verletzungen, Eifersucht und Vergebung
         gehören. Sozusagen empirischen Rückhalt gibt die Autorin ihren Texten, indem sie manchen Kapiteln aus ihrer Arbeit als
         Psychotherapeutin Patientengeschichten spendiert, im Text deutlich mit Kursivschreibweise gekennzeichnet.  
         Wer kristallklare, in sich stimmige Verständlichkeit und labyrinthfreie, geradlinige Zielgerichtetheit von einem philosophischen Text erwartet ist bei Dufourmantelle an der falschen Adresse. Das liegt zum einen daran, dass das Buch meiner Meinung nach vor allem auch literarisch ambitioniert ist – bildreiche, phantasieanregende, aber auch immer wieder dunkle Sprache, die das Phänomen des Risikos mehr umkreist, wie ein dunkles, kaum zu benennendes schwarzes Loch, als dass es wirklich tacheles redet, den Kern benennt. Zum Anderen natürlich, dass sie psychotherapeutisch gewonnene Erkenntnisse – manch einer wird sich hier schon schütteln und von Pseudowissenschaft sprechen – mit vermittelt, die sie in der Praxis im Patientengespräch auch immer wieder anwendet und wie es scheint dies auch nicht ganz ohne Erfolg. Philosophie und Psychoanalyse legen hier sozusagen eine spannungsvolle, durchaus faszinierende Hochzeit hin, vieles davon aber für mich überspannt und nicht recht nachvollziehbar, oder würden sie etwa der Autorin zustimmen, dass Traum und Lachen erotische Auflösungen des neurotischen Konflikts sind? Die Autorin selbst fand 2017 den Tod, als sie zwei Kinder vorm Ertrinken retten wollte.  
                     
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