![]()  | 
                Philosophisch-ethische Rezensionen
             | 
  | 
Stephan Ernst, Grundfragen theologischer Ethik: Eine Einführung, München 2009Mit seinem Buch wendet sich der katholische Autor, wie er selbst anmerkt,  insbesondere an Studierende, Lehrer, Hauptamtliche in der Pastoral, sowie  allgemein an theologischer Ethik Interessierter. Das Buch versteht sich als ein  Grundriß der theologischen Ethik, das der Vertiefung bedarf. Eine wesentliche  These des Autors ist es, dass das, was gut ist, aus der Vernunft erkannt werden  kann auch ohne auf christlichen Glauben zu rekurrieren. Christliche, bzw.  spezifisch christlich katholische Quellen, wie z.B. Bibel und das katholische  Lehramt bringen also in der bloßen Erkenntnis des Guten kein Plus gegenüber der  Vernunft und bilden so keine „Sonderehtik“ aus. Wie die Vernunft nun zwischen  gut und schlecht unterscheiden kann, ist Thema des ersten Teils des Buches.  Nachdem der Autor zunächst einige Möglichkeiten einer Grundlegung der Ethik  erläutert und kritisch beleuchtet hat (Ausrichtung an den Willen Gottes, die  heilige Schrift, das Gewissen, das natürliche Sittengesetz, die autonome  Vernunft) stellt er sein eigenes Modell vor, dass sich an der katholischen  Tradition orientiert (immer wieder wird insbesondere das katholische Lehramt zu  Rate gezogen oder der hl. Thomas von Aquin), dabei aber bemüht ist  Problemkreise der Moderne hinreichend zu berücksichtigen. Der Autor vertritt  eine Werteethik, die auf metaphysische Rückgriffe verzichten will. Wichtig und  unverzichtbar für eine christliche Ethik ist für den Autor, dass es objektive  Werte wirklich gibt. Diese Werte und Güter sollten wir, so der Autor, bei  unseren Entscheidungen miteinander abwägen. Ein Gut ist für ihn (wieder bezieht  er sich vor allem auch auf den hl. Thomas) etwas, das erstrebt wird, das reine  Übel oder Schlechte wird nicht erstrebt; wenn ein Übel erstrebt wird, dann nur  um eines in ihm irgendwie enthaltenen Gutes willen. Weil die Wirklichkeit  relativ ist, können wir allerdings auch nicht das reine Gute erstreben, sondern  müssen bei unserem Handeln auch immer Übles in Kauf nehmen, bzw. wir müssen  mögliches Gut dabei ausklammern. Beim Handeln sei nun darauf zu achten, dass  das Gute das Üble überwiegt, bzw. das Gute die mitverursachten Übel  rechtfertigt. Dabei soll die Verhältnismäßigkeit der Mittel gewahrt bleiben um  das Gute zu erreichen, als auch die gewählten Maßnahmen zur Zielerreichung  effizient sein um das Gute optimal zu befördern. Die Handlung darf nicht  kontraproduktiv zum Handlungsgrund sein. Diese Nicht-Kontraproduktivität sollte  auf Dauer und im Ganzen gewollt sein, wobei letzteres bedeutet, dass das zu  erstrebende Gut universalisierbar sein sollte. Auf eine metaphysische  Wertehierarchie meint der Autor nicht zurückgreifen zu müssen, vielmehr meint  er könne man bei Wertekonflikten ein Fundierungsverhalten ausmachen, das auf  Erfahrungen beruhen würde und eine mögliche Präferenz hinreichend rechtfertigen  könnte. Dabei gilt: Das fundierende Gut darf nicht durch ein durch es bedingendes
    Gut  behindert oder zerstört werden (Arbeit wäre so etwa die Voraussetzung Geld zu  verdienen). Wenn mehrere gleichwertig fundierende Werte zur Disposition stehen  würden, sei es notwendig Kompromisse zu schließen. Die zweite grundlegende  These des Autor ist es, dass wenngleich das Christliche keine Vorteile bei der  bloßen Erkenntnis des Guten gegenüber der Vernunft bieten würde, es doch  Vorteile bringen würde bei der Motivation, dass durch die Vernunft erkannte  Gute dann auch zu tun, auch wenn das eventuell persönliche Nachteile mit sich  bringen würde. Das beruhe vor allem darauf, dass sich der Christ in all seiner  Endlichkeit von Gott unbedingt angenommen und geborgen weiß und durch Christus  die Befreiung von seiner Schuld erfahre. Das ist dann Thema des zweiten Teiles  seines Buches. Mich hat der ethische Ansatz des Autors nicht so recht  überzeugen können, vielleicht hätte es dazu umfangreichere Darlegungen seines „Systems“  bedurft. Fundierende Werte – sie werden wohl oft ganz unterschiedlich aussehen,  jeweils nach der Perspektive die der Wertende einnehmen wird. Auch die  Interessen und Wünsche des Wertenden werden zwangsläufig einfließen (wenn  vielleicht auch unbewusst) und
    können nicht einfach eliminiert werden.  Ehrlicher wäre es darum meiner Meinung nach auch den Interessen und Wünschen  der Menschen einen Ehrenplatz in der Ethik einzuräumen, und zwar ganz ausdrücklich.  Auch der 2. Teil hat mich nicht recht überzeugen können, denn er setzt  eigentlich voraus, dass wenn man nur wirklich ein guter, spiritueller Christ  ist, dann auch besser handeln können müsste als der Nicht-Christ (wenn doch nicht,  dann hat man das wirkliche Christsein sich eben noch nicht ganz einverleibt).  Ich glaube das nicht wirklich auch wenn ich selbst überzeugter Christ bin.  Überzeugte Atheisten verfügen auch über gute Motivationsressourcen für das  Gute, dann wohl zwar über nichts Unbedingtes, aber das ist doch, Hand aufs  Herz, auch gar nicht so recht erfahrbar in unserer relativen Welt. Worin liegt  dann aber das Plus des Christseins? Für mich eher im sich Wohlfühlen im Glauben  und anderen mit seinem Leben aus dem Glauben ein bisserl Freude zu bereiten,  wobei letzteres
    aber nicht eine deckungsgleiche Sphäre mit dem ethischen  Handeln bildet, auch wenn es Überschneidungen gibt. Trotzdem habe ich das Buch  des Autors gerne
    gelesen und bin dankbar für die erhaltenen Einblicke in den  derzeitigen Stand theologischer Ethik und in seinen vorgeschlagenen Entwurf.
     Jürgen Czogalla, 16.03.2010  
  |