Philosophisch-ethische Rezensionen
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Julia Friedrichs, Ideale. Auf der Suche nach dem, was zählt, Hamburg 2011Es macht schon Spaß, dieses schön gestaltete Buch nur in die Hand zu nehmen: Der Autorenname leuchtet einem lustig bunt vom Cover entgegen, jeder Buchstabe in einer anderen Farbe, und auch der Titel glänzt in unterschiedlichen Farbtönen. So bunt und lebensfreudig sollen wohl auch die Ideale in unserem Leben sein, als das was eigentlich in unserem Leben zählt. Die Autorin sieht bei sich selbst da Defizite, sie rechnet sich zu einer mehr pragmatischen Generation und frägt sich angesichts ihres neugeborenen Sohnes und seiner ungewissen Zukunft (z.B. Umweltverschmutzung), für was sie eigentlich lebt und ob sie sich genug einsetzt, für das was sie für wichtig hält. So beginnt denn ihre Reise nach den Idealen unserer Zeit und führt sie zu potentiellen Gegenwarts-Vorbildern, Prominenz aus Politik, Wirtschaft, Protestbewegung und Kulturbetrieb, aber auch die Helden von nebenan, wie etwa die idealistische Ärztin oder die hyperengagierte Erzieherin werden nicht vergessen. Die interessanten Gespräche werden amüsant und anregend von der Autorin wiedergegeben, wobei sie auch nicht mit ihren subjektiven Eindrücken zu dem was sie erlebt, hinterm Berg hält – das ganze Buch ist von ihr aus der Ich-Perspektive geschrieben worden. Es ist kein (wissenschaftliches) Fachbuch, sondern ein journalistisches Reportagebuch. Das muss man wissen, denn sonst ist man vielleicht enttäuscht: Denn tiefsinnige Reflexionen darüber, was eigentlich gut ist und welche Bedeutung Ideale im allgemeinen für die Gesellschaft haben, womöglich noch angereichert mit irgendwelchen soziologisch-philosophiegeschichtlichen Daten, fehlen. Überhaupt fehlt augenscheinlich ein ethisch-moralisches Vokabular in dem Buch. Haben denn Ideale so gar nichts mit gut und böse zu tun, mag man da finden. Aber auch wenn ein moralisches Vokabular keine explizite Verwendung findet, wird doch deutlich, dass die Autorin Ideale bewertet, auch wenn es mit der Begründung dafür vielleicht etwas hapert. Ich bin aber nicht enttäuscht. Die Autorin nimmt sozusagen den
Platz der Frau von Nebenan und nicht den eines Wissenschaftlers ein – allerdings einer Frau von Nebenan, die sich Sachen traut, die man
normalerweise nicht macht, weil man einfach nicht dazu kommt (wer schreibt etwa schon Geschäfte an und erkundigt sich nach den Gehältern der
Angestellten, mit der Begründung, man wolle nur noch in Geschäften kaufen, bei denen die Angestellten nicht ausgebeutet, sondern ansprechend
bezahlt werden, etc…). So ist die Autorin vielleicht letztlich ‚idealistischer‘ als sie selbst denkt. Am Ende ihres Buches meint die
Autorin jedenfalls ihre Dosis Idealismus gefunden zu haben, eine Dosis, für die sie sich auch einmal vor ihrem jetzt noch ganz kleinen Sohn
nicht zu schämen braucht – sie hat nicht nur so vor sich hingelebt, sondern sich auch engagiert. Und ihre Dosis von Engagement
verträgt, so habe ich den Eindruck, eigentlich jeder. Und so macht sie mit ihrem Buch auch Lust und Mut zum kreativen Eigen-Engagement.
Gutes Buch.
Jürgen Czogalla, 06.03.2012
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