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Philosophisch-ethische Rezensionen
(Erscheinungsdatum der rezensierten Bücher: 20. und 21. Jahrhundert)

Volker Gerhardt, Der Sinn des Sinns. Versuch über das Göttliche, München 2014

"...Alle Anstrengung ist auf die sachliche Erörterung konzentriert, die zeigen soll, wie sehr das Göttliche zu der Welt gehört, in der wir uns als Menschen zu begreifen suchen...“, schreibt Volker Gerhardt im Vorwort zu den Absichten seines Buches. Dabei weiß er, dass sein Anliegen dies im Rahmen der Philosophie zu unternehmen, heutigentags fast schon ein bisschen merkwürdig ist. In der zeitgenössischen Philosophie nämlich, so erzählt Gerhardt, galt die Gottesfrage lange Zeit als erledigt, sozusagen als totes Thema, das keiner mehr anrühren wollte. Dabei führt für ihn der Weg zum Göttlichen, den er sozusagen philosophisch zu erweisen vermeint (anders etwa als der Weg zu einem Glauben an eine göttliche Person, die für Gerhardt über bloße Philosophie nicht mehr so recht erweisbar ist – wobei der Übergang vom Erweis des Göttlichen hin zum Glauben an Gott als Person aber auch nicht gerade ein unerhörter Sprung ist, sondern sich als eher fließend, als nur noch ein kleiner und in sich schlüssiger Glaubensschritt darstellt, wenn man das Göttliche erst ein Mal selbst anerkannt und erfahren hat), letztlich über den Erweis, dass das Leben sinnvoll ist. Das Göttliche sieht er dann als den Sinn dieses Sinns an, wie schon der Buchtitel es aussagt. Sinn, Wirklichkeit und Wahrheit gibt es wirklich, sie sind keine Illusionen. Die Welt als Ganzes erscheint als notwendige Voraussetzung zwischenmenschlicher Kommunikation und des Selbstverständnisses der beteiligten Individuen. Allerdings ist unser sicheres Wissen um diese Welt im Grunde gering – und daran wird sich laut Gerhardt auch nie und nimmer etwas ändern, da neue Wissensbereiche auch zugleich immer neue Unwissenheitsräume eröffnen – so dass wir tatsächlich und letztlich darauf vertrauen müssen, dass die Welt tatsächlich so ist und bleibt, wie sie sich uns erschließt: Wir glauben an die Welt, in der wir sind, so konstatiert Gerhardt. Für den Autor stellt nun alles, was mit über den Augenblick hinausgehender Sinnerwartung getan wird, welches mit einem tragenden, vertrauenden Sinn des Daseins geschieht, zugleich auch eine Verbindung mit dem Ganzen der Welt her. Dieser Sinn stützt und fördert dann unsere rationale Zuversicht, der zu sein der wir sind und der wir sein möchten und gibt uns auch die Kraft über uns selbst hinauszugehen. Dieser den Lebensvollzug im Ganzen fundierende Sinn ist für ihn dann das philosophisch erweisbare Göttliche, eigentlich das, was uns die Welt als Ganzes bedeutet. Klar ist dabei für den Autoren, dass der Sinn des Menschen eine Realität ist, ohne die er nicht leben kann und die seine physische, soziale, psychische, logisch-semantische und intellektuelle Existenz umfasst. Wichtig ist Gerhardt in diesem Zusammenhang auch besonders immer wieder zu erweisen, dass Glauben und Wissen aufeinander angewiesen sind und ohne einander letztlich ihre gehaltvolle Sinnhaftigkeit verlieren. Über den Glauben an einen persönlichen Gott beschäftigt sich Volker Gerhardt dann besonders noch im 6. Kapitel seines Buches, bevor er es mit einem „Beschluss“-Kapitel endigt, in dem er sich unter anderem intensiver die Glaubensentwicklung im Leben von Charles Darwin widmet und sich des erzielten Ertrages seiner gesamten Ausführungen mit Blick auf die eigene Zeit exemplarisch zu versichern sucht.

Ich persönlich fand Volker Gerhardt's Buch sehr lehrreich. Dem Glaubenden kann es helfen, sich seines Glaubens zu versichern, den Ungläubigen zu verstehen, dass der Glaube an Gott oder das Göttliche nicht einfach bloß Blödsinn ist, sondern dass dahinter schon einiges an Rationalität und auch Wirklichkeit steckt. Allerdings genügt es dem Autoren nicht, seine Argumente 2 oder 3 Mal vorzubringen, sondern sein Buch strotzt förmlich vor Argumentenwiederholungen. Das Göttliche wird sozusagen immer wieder von unterschiedlichen Begriffskonstruktionen und Aussagen umzingelt, die sich in ihrem Sinn aber letztlich nicht großartig unterscheiden. Als etwas ungeduldiger Leser hat mich das schon ein bisschen frustriert und auch ermüdet, es verleiht damit dem Buch aber zugleich auch ein wenig meditativen Charakter, nach meinem Empfinden, allerdings auf hohem philosophischen Niveau. Ganz leicht bekömmlich ist die Lektüre also in jedem Falle nicht, aber richtig gelangweilt habe ich mich beim Lesen auch nicht. Ein Buch, das auch mit Kritik an Religionen - natürlich auch neben viel, viel Lob für sie - nicht zurückhält und so an einem Heilwerden gerade unserer christlichen Kirchen mitarbeitet. Dabei ist Gerhardt aber nicht immer unbedingt auf einer kirchentreuen Linie verblieben: Den Glauben an die Gottheit von Jesus hält er für verzichtbar und von dem Glauben an einen transzendenten Gott und einer Schöpfung aus dem Nichts hält er begründet etwa gar nichts.

Jürgen Czogalla, 01.05.2015

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