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Philosophisch-ethische Rezensionen
(Erscheinungsdatum der rezensierten Bücher: 20. und 21. Jahrhundert)

Winfried Gödert und Klaus Lepsky, Informationelle Kompetenz. Ein humanistischer Entwurf, Berlin/Boston 2019

Die Autoren grenzen ihren Ansatz der Informationellen Kompetenz von dem der geläufigen Vorstellung einer Informationskompetenz ab, ja gerade deren Defizite sind für sie, so schreiben sie in ihrem Vorwort, ein Grund für ihr neues Konzept gewesen. Dabei wird Informationskompetenz verstanden als der sachgerechte und effiziente Umgang mit - heute zumeist digitalen - Materialien. Die Autoren meinen nun, dass wenn nur die instrumentelle Beherrschung von Materialien das Ideal und der Maßstab ist, es dazu kommen kann, der Anstrengung der Verbesserung von KI letztlich den Vorzug zu geben vor der Anstrengung zur Verbesserung natürlicher Intelligenz. Das kann schließlich zu einer schleichenden Degression von Fähigkeiten führen, die die Autoren in dem Begriff der informationellen Kompetenz zusammenfassen: Hier geht es nämlich darum die kognitiven Fähigkeiten und Voraussetzungen zum Erwerb von Informationskompetenz zu lokalisieren, zu stärken und an heutigen Problemen zu schulen und immer wieder neu zu erwecken. Dabei wissen die Autoren, dass sich informationelle Kompetenz und informationelle Autonomie nur erhalten lassen, wenn sich kein grundsätzlicher Zweifel an der Sinnhaftigkeit des Lebens einstellt. Elemente Informationeller Kompetenz sind für die Autoren das Kontextualisieren, das Abstrahieren, Spezifizieren und Instantiieren, Fähigkeit hierarchische Ordnungen zu bilden oder zu erkennen, hilfreiche Assoziationen zu entwickeln und fruchtbringend zu verwenden, Intuition, Kreativität, Anwendung von Heuristiken und das Bilden von Hypothesen, Analogiebildung und Plausibilitätsprüfung und schließlich auch noch das korrekte Schlussfolgern und Strukturieren und Ordnen, Prozesse die selbst, aber durchaus im Diskurs mit anderen zu leisten sind. Die Autoren sehen eine große Gefahr darin, dass solche Informationelle Kompetenz mehr und mehr von algorithmischer KI und Big Data Auswertungen verdrängt wird und wir unsere informationelle Autonomie verlieren könnten. Die Autoren sind der Meinung, dass das letztlich die Würde des Menschen bedroht. Dabei gehen die Autoren auch immer wieder genauer darauf ein, was das Besondere der Informationsverarbeitung von KI ist und auch was ihr völlig abgeht, nämlich zum Beispiel auch der ganze emotionale Bereich. Gewertet wird hier nach Kennziffern und Zahlen, deren Anlage und Auswertung für vorgegebene Sachbereiche modelliert wurden und deren Ergebnisse darum auch nicht so ohne weiteres auf andere Sachbereiche übertragen werden können. Wichtig bei der Prüfung und Anwendung ist daher auch immer über die Kriterien der Modellierung informiert zu sein, damit Entscheidungen nicht in die falsche Richtung gehen. Darum sollte man seinen Kopf nicht einfach abschalten und der KI blind vertrauen, sondern sich bewusst sein, dass sie nur subsidiär unterstützt und auch in die Irre führen kann, wenn man ihr nicht auf die Finger guckt.

Das Buch ist natürlich schon ein wirkliches Fachbuch, das zu einem stolzen Preis verkauft wird. Das zeigt sich daran, dass nicht mehr alles wirklich von Anfang an erklärt und vieles vorausgesetzt wird, was man dann, wenn man es halt nicht versteht, noch woanders nachschlagen muss. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass ich insgesamt gesehen doch recht gut mitgekommen bin. Das Buch ist also anspruchsvoll, dabei aber kein bloßes fachliches Kauderwelsch. Besonders gut haben mit die vielen aktuellen Beispiele gefallen mit dem die Ausführungen immer wieder verständlicher gemacht werden. So wird zum Beispiel das Scoring System bei der Auswahl für Kandidaten für einen Lehrstuhl kritisiert. Auch der Facebook Skandal durch Cambridge Analytica ist natürlich ein Thema und so vieles Interessantes mehr. Gelungen sind außerdem die zahlreichen Abbildungen, die das Besprochene visualisieren und verständlicher machen; und die können manchmal auch schon ein bisschen komplex werden.

Nicht gefallen hat mir, dass manche kürzere Zitate in Englisch ohne Übersetzung belassen wurden, aber bei einem Fachbuch dieser Preisklasse muss man das fast schon erwarten. Es ist davon nur weniges da und wer es partout nicht übersetzen kann verpasst nichts Wesentliches.

Gutes Buch, ich fand es spannend. Schade, dass es nicht günstiger zu haben ist.

Jürgen Czogalla, 09.11.2019

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