Philosophisch-ethische Rezensionen
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Maja Göpel, Unsere Welt neu denken. Eine Einladung, Berlin 2020Für Göpel sitzen die meisten Menschen in der Box einer abgeschlossenen
Scheinwelt. Sie lädt den Leser dazu ein aus dieser Box herauszutreten und von außen zu beurteilen und sie anschließend
neu zu gestalten. Sie möchte, dass der Leser die Welt mit anderen Augen zu betrachten lernt und nicht mehr an gewisse
Fortschrittsgeschichten einfachhin so glaubt. Sie strebt nach einer nachhaltigen Zukunft, in der Mensch und Natur versöhnt
sind, in der wir besser teilen können und auch mal lernen zufrieden zu sein mit dem was ist. Wenn wir so weiter leben
wie bisher sind die Konsequenzen für sie im Negativen gravierend und wenig erfreulich. Es geht ihr darum mit der Gewohnheit
zu brechen alles in Geld umzurechnen und diesem dann die Spitze unserer Wertpyramide zu geben. Sie kritisiert, dass wir
in einer Sichtweise gefangen sind, die vor zweihundert Jahren geboren wurde (Adam Smith, David Ricardo, Charles Darwin)
und die wir meist fraglos immer noch heute anwenden, obwohl unsere Welt sich von der damaligen fundamental unterscheidet.
Diese selbstverständlichen Denkmuster müssen sich neu an unserer Wirklichkeit messen und überprüfen lassen. Und das ist
dringend nötig, denn diese Ideen haben die Welt innerhalb von nur zwei Generationen an den Rand des Kollapses gebracht.
Was wir modernen Fortschritt nennen bezeichnet die Autorin als Ausbreiten und Ausbeuten. Nur gibt es für immer mehr
Menschen inzwischen immer weniger Platz auf unserem Planeten, wir wirtschaften nicht mehr in einer leeren, sondern in
einer vollen Welt. Expansion und Extraktion finden ihr natürliches Ende an den planetaren Grenzen, bei der eine verlässliche
Regeneration nicht mehr möglich ist. Dabei behandelt der Mensch die Natur nicht als lebendiges Ganzes, sondern wie eine
Maschine, die man nach Belieben umbauen und verändern kann und zwar geleitet mit den Fragen: Lässt es sich wertbringend
nutzen oder kann es weg? Indem der Mensch in gewachsene Systeme so eingreift wird aus dem natürlichen Kreislauf ein
Förderband, das nur noch in eine Richtung läuft: Vorne abbauen, dann verbrauchen und was hinten rauskommt ist unbrauchbarer
Müll, mit dem alles verschmutzt wird. Dabei hat das globalisierte Fortschrittsmodell aber nicht nur der Natur, sondern
auch der Kultur und Lebensweise eine rasant fortschreitende Homogenisierung und Ökonomisierung beschert. Nachhaltige
und dauerhafte Entwicklung wäre aber die Bedürfnisse der Gegenwart zu befriedigen ohne zu riskieren, dass zukünftige
Generationen das nicht mehr können. Dabei erzählt die klassische Ökonomie die Geschichte des Wirtschaftens als Versuch
als Egoist unter lauter Egoisten zu überleben, indem immer mehr produziert und Vermögen angehäuft wird, wobei dann
vorgeblich am Ende für alle mehr Wohlstand herauskommt.
Diese Geschichte destruiert Göpel in ihrem Buch.
Der Leser findet hier eine engagierte Lektüre vor, die in letztlich dazu auffordert und aufreizt die eigene Lebensweise zu hinterfragen und sich selbst zu engagieren ohne sich zu radikalisieren oder schnell wieder entmutigen zu lassen. Dazu liefert die Autorin einen Leitfaden, viel mehr nicht. Wenn ich das Buch lese, fühle ich mich ein bisschen so, als wäre ich in einem ihrer Workshops oder Seminare: Klare und super verständliche Sprache, viele lebensnahe und interessante Beispiele, aktuelle Zahlen und Studien, aber in allem eben nur die Grundlinien, man könnte auch sagen den Frontverlauf, dargestellt in einem für dieses Thema ziemlich schmalen Buch. Dabei strebt sie aber nicht einfach hin nach Umsturz, sondern einen Schritt für Schritt Umbau, der bereits begonnen hat, aber noch viel zu langsam verläuft. Fazit: Wir leben in einer Zeitenwende und haben solche engagierten, mit frischen Idealen vollgestopten Bücher tatsächlich auch dringend nötig. |