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Philosophisch-ethische Rezensionen
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Hrsg: Halkyonische Assoziation für radikale Philosophie e.V., Narthex. Heft für radikales Denken, Ausgabe 9 (Zeitschrift), Jenseits der Mitte? Zur Kritik der (neu-) rechten Ideologie, Leipzig 2024/25Eine (Feind-) Analyse von Links gegen den Rechtsruck in unserer Gesellschaft? Das ist
doch mal hochinteressant. Zunächst ein paar Worte zur Aufmachung: Für eine Zeitschrift sehr wertig, dick blättrige Seiten
und ein schönes, künstlerisch gestaltetes Cover. Da fällt so schnell nichts auseinander, schöne Haptig, da kommt Freude beim
Lesen auf. Eine Leipziger Künstlerin war für die gelungene grafische Gestaltung der Zeitschrift verantwortlich (Josephine
Jannack). Sie und die Autoren der Beiträge werden kurz auf den letzten Seiten vorgestellt. Die Auflage von 500 Exemplaren ist
eher bescheiden.
Das Editorial zu Beginn steckt sehr gut den Rahmen ab, in dem sich die insgesamt 15 Beiträge (auf 128 Seiten) des Heftes, bei allen Unterschieden und möglichen Kontroversen im Detail, bewegen. Nämlich, dass man den Faschismus, von dem unsere Gesellschaft bedroht ist, nur verstehen und erfolgreich bekämpfen kann, wenn man, wie es dort so schön heißt, ihn als Radikalisierung der kapitalistischen Realpolitik und als Enthemmung der Triebstruktur des bürgerlichen Individuums begreift. Dieser Realpolitik gilt es darum, so wird es hier vorgestellt, - und auch dieser Triebstruktur - einer Kritik zu unterziehen. Und es geht dann auch zugleich darum, eine theoretische, politische und kulturelle Alternative aufzuzeigen. Diese Alternative ist dann nach Meinung der Autoren des Editorials (Lukas Meisner & Paul Stephan) eine Gesellschaft, die mit den Erfordernissen der kapitalistischen Realpolitik bricht und die bürgerlichen Ideale von Autonomie, Rationalität und Individualität erstmals zur Verwirklichung bringt. Dem faschistischen Glücksversprechen von entfesselter Bestialität und dem kapitalistischen Glücksversprechen von sich selbst auf Kosten anderer zu verwirklichen wird das Glücksversprechen einer befriedeten Gesellschaft entgegengehalten, einer Gesellschaft ohne Leistungsdruck und Konkurrenz. Ihrer Meinung nach Bedarf der Antifaschismus dieser utopischen Kraft. Die Beiträge, die dann kommen, decken meiner Meinung nach schon ein größeres linkes Spektrum ab, von zum Teil wirklich radikal, bis zu nüchtern- gemäßigt. Je 1 Beitrag befasst sich mit den rechten Tendenzen in Italien und den Niederlanden. Ein anonymer Beitrag, der etwas aus dem Rahmen fällt, erzählt aus der Sicht von den betroffenen Verfassern, wie bedrohlich sie rechte Tendenzen in ihrem persönlichen Leben in Deutschland immer wieder erfahren haben. Neben 3 Artikeln, die sich mit der ideengeschichtlichen Genealogie des rechten Denkens befassen, sind 4 Artikel der Situation in Deutschland gewidmet. Den Hefteinstieg nach dem Editorial stellt ein Interview mit dem Sachbuchautor und Referenten für Friedens- und Sicherheitspolitik am Zentrum für Gesellschaftsanalyse und politischer Bildung der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Ingar Solty, zum Thema Rechtsruck in unserer Gesellschaft her. Es folgen dann noch die 4 Preisträger des Eos-Preises für philosophische Essayistik mit ihren preisgekrönten Artikeln zum Thema der Ausschreibung „Was ist der philosophische Kern (neu-)rechten Denkens? Wie lässt er sich fundiert kritisieren?“ und ein weiterer interessanter zusätzlicher Beitrag zu diesem Thema. Habe ich die Zeitschrift gerne gelesen? Ja. Die Artikel sind nicht zu lang und die Grundzüge auch dann noch verständlich, wenn man vielleicht nicht so ganz mit linkem Vokabular vertraut ist. Es geht um das philosophische Verstehen, was die neue rechte Ideologie eigentlich ist und dann natürlich immer wieder Wege aufzuzeigen, was man gegen die heraufziehende Gefahr eines möglichen Neofaschismus unternehmen kann. Eine wirklich umfängliche Analyse wird natürlich nicht erreicht - das kann eine Zeitschrift einfach nicht leisten -, zumal auch meiner Meinung nach eine allzu linke Sichtweise mögliche andere Aspekte, die auch noch von Bedeutung sein können, unterschätzt oder aus dem Blick verliert. Aber die Beiträge haben schon beachtliche philosophische Tiefe und sind interessant. Jürgen Czogalla, 20.04.2025 ![]() |