Angelika Krebs, Zwischen Ich und Du (Rezension)
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Philosophisch-ethische Rezensionen
(Erscheinungsdatum der rezensierten Bücher: 20. und 21. Jahrhundert)

Angelika Krebs, Zwischen Ich und Du. Eine dialogische Philosophie der Liebe, Berlin 2015

Es gibt wohl keinen Menschen, der nicht in gewisser Weise selbst ein kleiner Experte in Sachen Liebe ist, denn tatsächlich ist die Liebe ja allgegenwärtig und ein Leben ganz ohne Liebe eigentlich darum auch gar nicht so recht möglich. Angelika Krebs geht es allerdings in ihrem Buch explizit um die romantische Liebe, sie sucht Antworten auf die Frage, was eine geglückte romantische Liebe ausmacht, ihre Voraussetzungen und ihre auszumachenden Eigenschaften. Außerdem gibt sie auch Hinweise, wie man vielleicht eine solche Liebe erreichen kann und gibt Anregungen dafür, wo sich für sie gute Beispiele und Vorbilder finden, allerdings keine Alles-Ist-Nur-Wunderbar Beispiele, sondern solche, die die Härten, Wirrungen und Schwierigkeiten im Leben und in Beziehungen nicht ausblenden. Das alles untersucht sie mit einem feinen philosophischen Instrumentarium, zieht aber auch immer wieder literarische Beispiele – ihr Hauptbezugspunkt sind hier herausragende Werke des Schriftstellers Henry James – heran, denn sie weiß: Philosophie alleine ist diesem Thema letztlich nicht gewachsen.

Im ersten Teil ihres Buches stellt die Autorin drei Liebesmodelle einander gegenüber: Das Verschmelzungsmodell, das von Platon herrührt, das Care-Modell, das sich in Ansätzen schon bei Aristoteles findet und das dialogische Liebesmodell, das man ebenfalls schon bei Aristoteles angelegt finden kann. Krebs erklärt dann, warum sie letzteres Modell favorisiert: Es hat nämlich ihrer Meinung nach das größte Potential für ein gutes, geglücktes menschliches Leben. Während ihrer Meinung nach das Care-Modell die der Liebe innewohnende Reziprozität verkennt und das Verschmelzungsmodell der Individualität und Autonomie der Einzelperson nicht gerecht wird, versteht das von ihr bevorzugte Modell Liebe weder als Einswerdung noch als ein bloßes Füreinander, sondern als ein Miteinander, das tragend sowohl für Freundschaft als auch für Liebe ist. Der Dialog und die Kooperation der Liebenden als zweier verschiedener Personen erscheint hier als Selbstzweck und ist gepaart mit einem echten Interesse am Partner in seiner Individualität und verbindet sich auch mit der Sorge um ihn.

Im zweiten Teil des Buches steigt der Schwierigkeitsgrad deutlich an – was im ersten Teil noch als populärwissenschaftlich durchgehen kann, wird jetzt zuhöchst fachphilosophisch. Die Autorin geht hier der Frage nach, was es eigentlich bedeutet Handlungen und Gefühle personal und dialogisch miteinander zu teilen. Dazu stellt sie die Gedanken Max Schelers und Edith Steins zum Miteinanderfühlen, die „Joint Action-Debatte“ (Ulrich Baltzer, Michael Bratmann) und Gedanken zum Fühlen - allein und zusammen – von Hermann Schmitz, Martha Nussbaum und Christiane Voss dar.

Im dritten Teil wird es vom Schwierigkeitsgrad des Verstehens dann wieder deutlich einfacher. Hier begründet Krebs die Angewiesenheit der Philosophie der Liebe auf die Literatur. Es wird jetzt also der Bereich der Ästhetik mit hineingenommen und anhand des Romans „The Golden Bowl“ („Die goldene Schale“) von Henry James zuletzt versucht, die vorher entwickelte, bzw. dargestellte Theorie plastisch werden zu lassen.

Ein besonders ins Auge stechendes Merkmal dieses Buches ist sicher der unausgewogene Schwierigkeitsgrad: Die leicht lesbaren Teile eins und drei umrahmen den knallharten zweiten Teil, der denn auch besonders dazu geeignet ist, Fachkollegen zu beeindrucken. Auf mich wirkt das unausgewogen, Eins ins Andere fügt sich nicht so recht harmonisch ineinander. So interessant ich den fachphilosophischen Teil auch persönlich fand, der taffe Schwierigkeitsgrad und die universitär ausgewiesene Fachdiskussion hier passt meiner Meinung nach nicht mehr so recht in das Gesamtgefüge des Ganzen. Diesen Teil könnte man, wie ich finde, durchaus geschickter und vor allem auch mutiger gestalten, auch wenn es dann dafür eben vielleicht weniger Applaus vom Fachpublikum her gibt, nicht alle Erkenntnisquellen mehr explizit genannt werden und der universitäre Disput etwas entschärft wäre. Weniger beschlagene Leser können natürlich den zweiten Teil einfach skippen, haben dann aber ein ganzes Buch für nur zweidrittel Lesen bezahlt – das ist letztlich unbefriedigend. Trotzdem kann man von der Autorin tatsächlich noch einiges in Sachen romantischer Liebe lernen und sein eigenes ja normalerweise unreflektiertes Wissen vertiefen und sich dieses dann für ein geglücktes Leben zu Nutze machen. Darum empfinde ich das Buch auch ein bisschen als einen hochphilosophischen Liebesratgeber, den ich gerne gelesen habe und guten Gewissens dem etwas mutigerem Leser weiterempfehlen kann.

Jürgen Czogalla, 23.08.2015

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