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                Philosophisch-ethische Rezensionen
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Bernd Ladwig, Moderne politische Theorie. Fünfzehn Vorlesungen zur Einführung, Frankfurt am Main 2022, 3. AuflageBernd Ladwig ist zurzeit Professor für politische Theorie und Philosophie
         an der freien Universität Berlin. Sein Buch ist eigentlich als Lehrbuch für Studenten konzipiert. Die Vorlesungen, so
         sagt der Autor, hält er so schon ähnlich, hat sie aber für das Buch neu überarbeitet. Sie haben eine Länge zwischen 10
         und 19 Seiten und sind damit wohl um einiges kürzer, als was er an der Uni vorträgt. Thema ist moderne politische
         Philosophie und darunter versteht der Autor, dass moderne politische Theorien auf die Annahme eines radikalen Bruches
         zwischen klassischer Politik und heutiger Lebenswirklichkeit reagieren. Dabei gilt, dass für sie alle die Vermutung
         einer "Entzauberung" Anfangsplausibilität hat. Er spricht von einer fünfachen Entzauberung der Moderne (die alte Welt
         war sozusagen verzaubert und die moderne Welt ist entzaubert): 1. Kontrollverlust.  Unsere modernen Massendemokratien
         sind ungleich komplizierter als z.B. die antiken griechischen Demokratien. Sie sind bürokratisiert, technisiert und
         verrechtlicht. Märkte erscheinen als Musterfall für Mechanismen, die hinter dem Rücken der politischen Akteure wirken.
         2. Verlust von Sinn. In der athenischen Polis galt als vollwertiger Mensch der, der öffentlich wirkte. Nur der politisch
         Handelnde wurde seiner menschlichen Bestimmung gerecht. Heute finden wir unseren Lebenssinn in der Regel nicht mehr in
         der Politik. Unsere Zwecke verwirklichen wir mehr im Privaten. 3. Gemeinwohlverlust. In der klassischen Vorstellung galt
         es nicht nur das Meiste für sich selbst herauszuschlagen, sondern auf das Gedeihen der Gemeinschaft als Ganzer zu achten.
         Heute besteht der Verdacht, dass Politik ein strategisches Spiel ist, in dem es um die Ausweitung von Macht geht. Manche
         meinen das von den Alten verpönte Eigeninteresse sei der wichtigste oder sogar der alleinige Gegenstand der Politik.
         Allenfalls können wir hoffen diese vielen Einzelinteressen gegenseitig auszublancieren. 4. Individualitätsverlust. In
         der Polis erwirbt das große Individuum Ruhm und Ehre. Heute, so scheint es, ist das große Individuum zum Verschwinden
         verurteilt. Die Masse duldet keinen, der sie überragt. 5. Zentralitätsverlust. Im klassischen Bild steht das öffentliche
         Leben sozusagen auf der Spitze einer Pyramide. Auf diese sind alle Aktivitäten zweckhaft bezogen. Wirtschaftliche
         Praktiken sind hier kein Selbstzweck. Heute sehen das die meisten Menschen anders. Sie halten das Politische eher für
         einen Teilbereich der Gesellschaft als dessen Spitze und Zentrum. Für Ladwig gehen erst Theorien ab dem 20. Jahrhundert
         in ganzer Radikalität auf diese Probleme ein und diese behandelt er denn auch in seinem Buch: Von Schumpeter über Arendt
         und den Neomarxismus bis Postmarxismus, der älteren und neueren kritischen Theorie, dem Poststruktualismus, Luhmann,
         Liberalismus, Kommunitarismus und Feminismus. Die Vorlesungen bieten einen ersten Ausgangspunkt sich mit den Themen
         vertraut zu machen und geben also einen guten Überblick. Abgeschlossen werden sie jeweils mit kritischen Bemerkungen
         zur Theorie von Ladwig, der auch wirklich bei jeder vorgestellten philosophischen Richtung noch ein Haar in der Suppe
         findet. Das ist sehr gut gelungen. Natürlich gibt es auch massig Hinweise zu weiterführenden Literatur. Sprachlich
         gelungen und verständlich, aber zugleich auch fordernd. Sicher nicht nur für Studenten interessant, sondern für alle
         die sich über aktuelle politische Strömungen informieren wollen. Wirklich sehr gelungen!
  
   
          
          
                  
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