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Philosophisch-ethische Rezensionen
(Erscheinungsdatum der rezensierten Bücher: 20. und 21. Jahrhundert)

Bernd Ladwig kritisiert Foucaults politische Theorie

Wo für Foucault alles auf eine Sache hinausläuft, sieht Ladwig innere Spannungen, Ambivalenzen und Widerstände. So weist er darauf hin, dass Foucaults Diagnose, die modernen Gesellschaften seien Disziplinargesellschaften z.B. nicht genügend solche Phänomene wie Selbstverwirklichung und Psychoanalyse erklären kann. Gegen Angleichung der Menschen als Maschinen gibt es die Gegenbewegung von Menschen, die aus innerer Tiefe leben wollen oder auf eine neue Sinnlichkeit setzen. Es ist für Ladwig schlicht falsch solche Selbstverwirklichung auf ihren Beitrag zur Disziplinierung zu reduzieren. Das Gleiche gilt für ihn auch von Foucaults Gerede von der Biomacht. Dienen solche Kämpfe um mehr Selbstbestimmung, wie z.B. im Falle von Patientenverfügungen objektiv der Biomacht, so fragt Ladwig. Dagegen scheinen doch eine anständige Sozialpolitik, erweiterte Mitsprachemöglichkeiten von Patienten das beste Mittel zu sein. Für beides, das Rettende und die Gefahr denselben Ausdruck Biomacht zu verwenden erscheint da doch sehr fragwürdig und verwirrend. Ladwig findet es fraglich, ob Foucaults Theorie der Macht wirklich über genügend Trennschärfe verfügt. Alle Situationen und Institutionen lassen irgendwelche Kräfteverhältnisse erkennen. Sie schließen immer irgendetwas aus und sind in diesem Sinne nie machtfrei. Nur das ist ein ziemlich trivialer Tatbestand. Die Frage, ob ein Gestaltwandel von Macht eine echte Verbesserung bedeutet und uns von Übeln befreit, ohne uns neue, größere Übel aufzuladen ist damit aber für Ladwig nicht erledigt, sondern unverzichtbar. Nur ist Foucaults Machtbegriff für eine Klärung viel zu allgemein. Zudem attestiert Ladwig Foucault eine unrealistische Vorstellung von den Möglichkeiten menschlicher Selbstveränderung. Wir sind nicht bloß durch kontingente Ordnungen aus Wissen und Macht festgelegt, sondern haben auch eine eigene Individualität und eigene Natur. Das es in uns gar nichts zu erkennen gibt, kommt Ladwig jedenfalls höchst unplausibel vor.

Jürgen Czogalla, 04.12.2022