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                Philosophisch-ethische Rezensionen
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Konrad Lorenz: Das sogenannte Böse. Zur Naturgeschichte der Aggression, München 1983, 11. AuflageKonrad  Lorenz ist einer der Helden meiner Jugend. Jetzt, nach vielen Jahren, habe ich  es noch einmal gelesen, sein Buch zur Naturgeschichte der Aggression. Es ist  ein wunderbares Buch und ein wirklicher Klassiker. Intraspezifische  Aggressivität (um sie geht es hier eigentlich, gemeint ist die Aggressivität  von Lebenwesen einer bestimmten Art untereinander), die oft ja von uns allen  als negativ erfahren wird, wird gründlich entdämonisiert, denn sie ist zu etwas  nützlich: Vor allem dazu, dass durch ihre abstoßende Kraft sich eine Art über  die Welt gut verteilen kann und so jeder sein Plätzchen mit ausreichenden  Ressourcen erhält, bzw. sich erkämpft. Damit es aber besonders aggressive Arten  auch miteinander aushalten, d.h. sich z.B. paaren können ohne sich zu  zerfleischen, sind durch die Evolution verschiedene aggressionshemmende  Mechanismen entstanden: Die positiven Seiten der Aggression werden so bewahrt,  für eine Art aber ganz destruktive Auswirkungen ausgeschaltet. Solche  Mechanismen erläutert Konrad Lorenz mit wunderbaren, kenntnisreichen  Beispielgeschichten aus dem Tierreich, die besonders geeignet sind die Liebe  zur Wunderwelt der Natur und zu ihren Tieren überhaupt zu erwecken. Der  Abwehrmechanismus nun gegen destruktive Auswirkungen der Aggression, der  sozusagen am höchsten in der Evolution steht, ist nach Konrad Lorenz „das Band“,  nämlich die Liebe. Das erläutert er unter anderem an den von ihm so geliebten  Graugänsen, die unter normalen Umständen eine lebenslange Beziehung zu nur  einem Partner eingehen. Die Aggression nach Außen hin gegen die  Nicht-Teilnehmer des eigenen Gänsetriumphgeschreis bleibt erhalten, wirkliche  Zuneigung, Zärtlichkeit und Liebe für die Nahestehenden. Da die Liebe so  naturgeschichtlich nachgerade aus der Aggression sozusagen als Antwort  entwachsen ist, kann es Liebe nach Lorenz ohne Aggression nicht geben. Bei  Tieren denen die Aggression fehlt, hat sich denn auch ein „Band“ nie  entwickelt. In den letzten Kapiteln seines Buches beschäftigt sich Konrad  Lorenz dann mit dem Menschen, der Teil der Natur ist und bei dem sozusagen  analoge Mechanismen wie zum Beispiel bei der Graugans entstanden sind. Lorenz  stellt fest, dass unsere instinktmäßigen Hemmungsmechanismen gegen destruktive  Auswirkungen der Aggression nicht so recht mithalten können mit unserem  Erfindungsreichtum und Werkzeuggebrauch, der etwa unsere Fähigkeiten zu töten  und zu verletzen sehr erweitert. Dafür hat sich aber bei uns ein  Verantwortungsbewußtsein entwickelt, mit dem wir sozusagen dagegen halten  können, wir wissen von gut und böse. Damit wir auch in Zukunft alle in Frieden  leben können, lernt Konrad Lorenz ausdrücklich von den Demagogen um dann das  genaue Gegenteil lehren zu können: So lobt er die völkerverbindende und aggressionsableitende  Funktion des Sports, die gemeinsame Arbeit an den Wissenschaften, das  persönliche Kontaktknüpfen und Interessieren für das eben noch Fremde und das  Lenken der Begeisterung der Menschen hin auf Ziele die niemanden ausgrenzen.  Wer sich mit Tieren näher beschäftigt, so meint Konrad Lorenz, wird erst so  recht erfahren wie wertvoll und wunderbar der Mensch ist, der aber trotzdem  nicht „abheben“ (dann geht er in die Irre und es droht eine Selbstvernichtung),  sondern bescheiden und stolz zu seinen
    wunderbaren Wurzeln stehen soll.    Jürgen Czogalla, 01.11.2010  
                 
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