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Philosophisch-ethische Rezensionen
(Erscheinungsdatum der rezensierten Bücher: 20. und 21. Jahrhundert)

Jens Marxen, Den Sinn des Lebens spüren, Leibphilosophie und Lebenskunst, Norderstedt 2022

Marxen konstatiert beim modernen Menschen eine Entfremdung von seinem Leib. Philosophiegeschichtlich sind für ihn dahingehend einschlägig die wirkmächtige Philosophie von Platon, Descartes und Kant und neuerdings auch Ansätze in der Hirnforschung und den Idealen von Transhumanisten. Der ideale Mensch ist hier seiner Ansicht nach maschinenhaft und emotionslos, denn er soll in unserer modernen Welt reibungslos funktionieren. Ermöglicht werden soll die Herrschaft des Menschen über die Natur. Doch, so stellt Marxen fest, was wir Beherrschen ist uns notwendigerweise fremd. Wir sind von der Natur, unserem Mitmenschen und von uns selbst entfremdet und von letzterem handelt vornehmlich sein Buch. Seine Leibphilosophie stellt die gespürte Wirklichkeit in den Mittelpunkt und bietet so Hilfestellung und Stärkung für ein geglücktes Leben an. Das System unserer Industriegesellschaft mit Wachstums- und Konsumzwang hält er für destruktiv und krankmachend. Der unbegrenzte Glaube an Fortschritt und Technik führt für ihn letztlich in eine soziale und ökologische Katastrophe. Darum sieht er es als unabdingbar an die einseitige Herrschaft der kalten Vernunft zu hinterfragen. Er möchte den Leser dazu bringen, seinen gespürten Leib wieder als Bedingung und Quelle seiner bewussten Existenz neu zu entdecken. Im Anschluss an Erich Fromm erhofft er sich davon, dass dem Menschen durch den Abbau der Entfremdung die Welt der Dinge und der materielle Reichtum weniger wichtig werden, es ihm dafür aber mehr darum geht spontan und lebendig zu sein und als Mensch zu wachsen und sein Leben als Mensch zu verwirklichen. Sein Verhältnis zur Welt wird dadurch von Naturbeherrschung und Zerstörung abgezogen hin zu einer lebendigen, fruchtbaren Beziehung zu seinem Umfeld und zu sich selbst. Denn er ist der Überzeugung, dass wer sich seinem Leib zuwendet sich auch dem Leben zuwendet. Viel Lob bekommt in dieser Hinsicht etwa die Philosophie von Epikur von ihm. Das höchste Gut ist für Marxen die Heiterkeit, die entsteht, wenn wir beginnen an der Basis unseres Lebens zu arbeiten. Versprochen wird kein Glücksrauschzustand, sondern ein gelöstes Spüren von Weite, ein Zustand ohne starke Sorgen bei einem wachen und lebendigen Leib. Dafür nötig ist Übung, Nachdenken, aber auch Widerstand. Der Sinn des Lebens besteht für ihn darin zu spüren, dass wir keine kleinen Maschinen, sondern lebendige Wesen sind.

Ich bin wie der Autor ebenfalls der Meinung, dass es für ein geglücktes Leben schon nötig ist mit seinem Leib gut zurecht zu kommen. Ein Leib-Seele-Dualismus ist für mich kein Ideal. Was den Bereich der Ethik anbelangt ist für mich natürlich ein K.O. Kriterium ob ich befähigt bin oder werde die Bedürfnisse und Rechte anderer bei meinem Handeln in rechter Weise zu berücksichtigen. Marxen kritisiert hier etwa den kategorischen Imperativ, der uns seiner Meinung nach mehr oder weniger in eine kopflastige Konformität einschließen will, in die gerade herrschende Meinung, und uns in kleine Maschinen verwandeln will, damit wir reibungslos funktionieren. Diese Meinung teile ich in dieser Schärfe nicht, sondern ich sehe in dem kategorischen Imperativ eine gute Möglichkeit in Verbund mit anderen Möglichkeiten, um eine Handlung auf moralische Gültigkeit zu überprüfen. Und genau dasselbe gilt für mich im Hinblick auf das Leibspüren, eine Option unter anderen Optionen. Ich traue es der Leibphilosophie hier nicht zu wirklich überzeugend auf ganz eigenen Beinen stehen zu können. Es ist hier auch gar nicht so einfach zu begründen, wie ich von meinem Leib spüren dazu komme, die Interessen anderer oder meiner Umgebung hinreichend zu berücksichtigen. Darauf geht der Autor auch nicht besonders intensiv ein. Ich hätte mir insgesamt eine ausführlichere Darstellung seines philosophischen Ansatzes gewünscht. Gegen was er sich wendet, das stellt er jedenfalls dagegen schon etwas genauer dar.

Jürgen Czogalla, 19.03.2023

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