Philosophisch-ethische Rezensionen
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Alexander Merkl, Kerstin Schlögl-Flierl, Moraltheologie kompakt. Grundlagen und aktuelle Herausforderungen, Regensburg 2022Das Buch ist offensichtlich vor allem als Lehrmittel für Schüler höherer
Jahrgangsstufen und Studenten der katholischen Theologie für das Fach katholische Moraltheologie konzipiert. Dabei erhebt
es den Anspruch, Erstkontakt mit den Fragen und Argumentationen der Moraltheologie zu erleichtern und die nötigen Grundlagen
zu schaffen. Neben den genannten Autoren, beide Professoren, gibt es noch andere Beitragende von katholischem Rang, nämlich
Franz-Josef Bormann, Stephan Ernst, Alexander Flierl, Bernhard Koch und Gerhard Marschütz.
Es gibt 4 Hauptkapitel (mit jeweils mehreren Unterkapiteln): Allgemeine Moraltheologie, Medizinische Ethik, Beziehungsethik und
Sexualmoral und dann noch ein Kapitel mit weiteren Themenbereichen angewandter Ethik (mit den Unterkapiteln: Friedensethik,
Medienethik, Umweltethik, Tierethik, Technikethik und Spiritualität und Moraltheologie). Die Unterkapitel sind dabei nicht
länger als 10 Seiten.
Auffallend ist natürlich, wo rein vom Umfang der Schwerpunkt angewandter Ethik liegt: Nämlich bei der medizinischen Ethik und bei der Beziehungsethik und Sexualmoral, während andere Bereiche eine eher kümmerliche Besprechung erfahren. Ein für mich eindeutiger katholischer Sonderfall ist die besondere Fixierung auf Beziehungsethik und Sexualmoral, die ich ansonsten nämlich nicht in Einführungen zur angewandten Ethik finden kann. Woran das wohl liegt? Vielleicht daran, dass man schwindender Akzeptanz und wachsender Ablehnung der katholischen Positionen meint diese nochmals deutlich zu machen und erklären zu müssen. Dabei ist hier besonders die naturrechtliche Grundlage der Argumentation wichtig - die naturrechtliche Argumentation ist typisch katholisch und tatsächlich eine Art Sonderethik, die in den sonstigen gängigen Einführungen zur Ethik gar nicht erst besprochen wird und das, wie ich finde, auch ganz zurecht, die man hier versucht ein Stückweit zu modifizieren hin zu einer Beziehungsethik und natürlich verweist man hier dann immer wieder auch auf entsprechende päpstliche Enzyklika. Es gibt offenbar irgendwie eine Entwicklung der Benennungen, aber weniger wirkliche inhaltliche Modifizierungen. Die Medizinethik steht unter ähnlichem säkularem Druck von außen, bzw. von Unverständnis der eigenen Klientel und wird also auch in extenso behandelt. Wie überzeugend dieser Spagat des Festhaltens an naturrechtlichen Argumentationslinien und moderneren Denkweisen wirklich gelungen ist, sei dem Leser überlassen. Besonders kurios fand ich dann noch, dass als zukunftsweisende Spiritualität auch den Laien die 3 evangelischen Räte Armut, Ehelosigkeit und Gehorsam empfohlen werden, wobei das an sich wenig Plausible so zurechterklärt wird, dass es eben auch für verheiratete Paare passt. Ich selbst halte diesen Versuch einer spirituellen Erneuerung für wenig hilfreich und attraktiv für Menschen, die im heutigen Europa nach christlicher Spiritualität für sich suchen. Bevor man gespreizte Umdeutungen anbietet, die viele Sondererklärungen bedürfen, sollte man gleich auf andere Formulierungen und Hilfestellungen setzen, die ja deswegen nicht gleich unchristlich sein müssen Fazit: Also ich bin sicher, dass wer den Inhalt dieses Buches gut verinnerlicht auch gut durch die Prüfungen an katholischen Einrichtungen kommen wird und auch zuletzt sein nihil obstat, seine Lehrerlaubnis, erhalten wird. Auf einem ganz anderen Blatt steht, ob es sich dabei noch um eine konkurrenzfähige, überzeugende Ethik handelt. Aber ich möchte das Buch auch nicht ganz klein machen, denn es wird schon auf hohem Niveau, wenn auch für mich bisweilen auf kuriose Weise argumentiert. Wobei ich vermute, wenn ich als Katholik es schon so empfinde, es dem Glauben ferne Stehende es noch umso stärker empfinden werden, was meiner Meinung eben hauptsächlich an den naturrechtlichen Argumentationslinien liegt und natürlich an der hohen Bedeutung, die Texten aus der Tradition oder Enzyklika von Päpsten zugesprochen werden, die sich einer nüchternen außerkirchlichen Betrachtung so nicht unbedingt erschließen wollen. Der bloße Inhalt abgesehen von der Autorität des Autors und die geleistete Argumentationstiefe rechtfertigen die Bedeutung sehr oft meiner Meinung nach nicht, bedeuten für Katholiken aber wichtige Richtlinien und Orientierungshilfen, bzw. sie sollten sie wohl zu mindestens bedeuten. Jürgen Czogalla, 20.04.2024 |