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Philosophisch-ethische Rezensionen
(Erscheinungsdatum der rezensierten Bücher: 20. und 21. Jahrhundert)

Thomas Nagel, Moralische Gefühle, moralische Wirklichkeit, moralischer Fortschritt, Berlin 2025

Das Buch ist eine Sammlung 2er Aufsätze von Nagel. Der 1. und sehr schmale Aufsatz mit dem Titel „Bauchgefühle und moralisches Wissen“, der 2., etwa doppelt so umfangreiche, mit dem Titel „Moralische Wirklichkeit und moralischer Fortschritt“. Der 1. Aufsatz wurde bereits 2021 veröffentlicht, der 2. mit der englischen Erstausgabe dieses Buches 2022. Wie Nagel es treffend im Vorwort beschreibt, geht es in beiden Aufsätzen um eine Theorie moralischer Erkenntnis und um die Mittel unseres Zugangs zu moralischen Wahrheiten. Und es geht um einen moralischen Realismus in Begründung gegenüber subjektivistischen und reduktionistischen Ansätzen in der Moral und schließlich noch um die historische Entwicklung moralischer Erkenntnis. Im 2. Aufsatz stellt Nagel die etwas kuriose Theorie auf, dass moralische Wahrheiten nicht zeitlos sind,denn seiner Meinung nach werden sie erst wahr und gelten erst dann für Individuen, wenn sie ihnen zugänglich geworden sind,vorher sind sie einfach nicht existent. Der moralische Grund muss zugänglich sein und auch nur dann hat er für Nagel Geltung. Dabei wird der Inhalt des Grundes aber nicht durch die Einstellungen der Person festgelegt, sondern durch die Tatsachen, die jenen Grund für jemanden erzeugen, der fähig ist, zu verstehen. Als Beispiel nennt er z.B. unsere Vorstellung der Meinungsfreiheit, die solche Wertvorstellungen und historischen Einbindungen wie z.B. den Liberalismus oder die Vorstellung von der Autonomie von Personen und einer ganz anderen Idee von einem Gemeinwesen bedarf, wie sie z.B. einem Thomas Morus im Zeitalter der Renaissance einfach noch nicht zugänglich sein konnten. Für ihn war sie nach Nagel deswegen einfach unerreichbar, unverständlich und darum auch nicht gültig. Das wurde sie erst durch komplexe historische Entwicklungen, die neue Gründe hervorbrachte. Im 1. Aufsatz verteidigt er die Bedeutung deontologischer Ansätze gegenüber konsequentialistischen Ansätzen damit, dass es wichtig ist, dass es Grenzen und Schutz von bestimmten Werten geben muss, komme was immer da wolle. Allerdings schwebt ihm in der moralischen Theorie eher eine Kombination beider Sichtweisen anstelle von einem einseitigen deontologische Rigorismus vor.

Das kleine Büchlein ist durchaus interessant für Leser, die sich für moralische Theorie interessieren, ein Fachbuch also, aber durchaus zugänglich. Man bekommt durch es schon einen Einblick in die dort bestehenden Grabenkämpfe, die Nagel mit seinem Buch etwas entwirren, bzw. in die er etwas mehr Klarheit bringen möchte. Die Frage, ob diese 2 Aufsätze aber wirklich eine Buchveröffentlichung wert sind, muss sich jeder Leser selbst beantworten. Ich finde es schon etwas arg kurz und würde mir eine weitere Ausarbeitung wünschen.

Jürgen Czogalla, 26.03.2025

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