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Philosophisch-ethische Rezensionen
(Erscheinungsdatum der rezensierten Bücher: 20. und 21. Jahrhundert)

Arnd Pollmann, Menschenrechte und Menschenwürde. Zur philosophischen Bedeutung eines revolutionären Projekts, Berlin 2022

Der Autor gibt sowohl eine Erklärung der Vorgeschichte der Menschenrechte als auch der Menschenwürde zum Besten. Denn beide Konzepte wurde erst unter dem fürchterlichen Eindruck totalitärer und menschenverachtender Systeme 1948 in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte miteinander verbunden. Beides erscheint hier als die zwei Seiten derselben Medaille: Denn wer sich auf die Menschenrechte beruft, so der Autor, wird dies immer auch im Namen der Menschenwürde tun, und wer sich auf die Menschenwürde beruft, muss zugleich notwendig staatliche Pflichten zur Gewährleistung konkreter Menschenrechte proklamieren. Für den Autor ist das ein ideengeschichtlich neuer, revolutionärer Begriffszusammenhang und ist für sein ganzes Buch leitend: Die Menschenrechte sollen allen Menschen weltweit ein mindestens menschenwürdiges Leben ermöglichen. Dabei allein bleibt der Autor jetzt aber nicht stehen, sondern liefert eine Begriffsbestimmung der Menschenrechte, die für ihn eine überpositive, juridische und eine politische Dimension beinhalten. In einem weiteren Kapitel legt er die Funktionsbestimmungen dar: Menschenrechte interpretiert er als konstitutionelle Vorbehalte souveräner Staatsbürger gegenüber Institutionen und Verantwortlichen der öffentlichen Gewalt, die ihre Machtbefugnisse nicht willkürlich missbrauchen dürfen. In einem letzten Kapitel geht es dann um Inhaltsbestimmungen, bei dem die prioritäre Pflicht zum Schutz der Menschenwürde im Vordergrund steht. Würde gilt ihm nicht mehr als unverlierbar, sondern zeichnet sich durch eine fundamentale Fragilität aus und kann auch nicht mehr als angeboren verstanden werden. Menschenwürde ist ihm das gefährdete Worumwillen der Menschenrechte. Menschenrechte dienen dazu, um allen Menschen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen und dies markiert die voranginge Grundpflicht aller politischen Gewalt. Allerdings gehen für ihn Verletzungen einzelner Menschenrechte nur dann mit einer Verletzung der Menschenwürde einher, wenn das Opfer entmenschlicht wird, so dass ihm die Achtung als Mensch von gleichem Wert verweigert wird. Dies zeigt sich in sozialer Missachtung, psychischer Demütigung und physischer Erniedrigung. Die Betroffenen erfahren dies als beschämend oder gar lebensbedrohend, empfinden Schutzlosigkeit und Ohnmacht und werden in ihrer Selbstachtung beschädigt. Schließlich geht der Autor auch noch darauf ein, dass unter Umständen einzelne Menschenrechte miteinander abgewogen und bewertet werden müssen (z.B. in der Coronakrise Freiheitsrechte mit Gesundheit). Hier müssen die Zwecke der Eingriffe seiner Meinung nach legitim, die Mittel geeignet, erforderlich und angemessen sein. Außerdem darf der Eingriff nicht die Grenze der Menschenwürde überschreiten und er muss die situative Ausnahme bleiben und auch den Betroffenen gegenüber zu rechtfertigen sein. Auch demokratische Mehrheitsentscheidungen dürfen sich darüber nicht hinwegsetzen.

Das Buch bietet einen fundierten Überblick in die Bedeutung des Zusammenhangs von Menschenrechten und Menschenwürde und erklärt beides und die Zusammenhänge detailliert in einer ansprechenden Sprache. Zudem referiert der Autor nicht nur die Ideen anderer, sondern bringt sich selber immer wieder mit eigenen Ansätzen produktiv ein. Ein gewichtiges, lehrreiches und spannendes Buch, in dem man viel mehr erfährt, als es meine Rezension erahnen lässt. Lassen Sie sich selbst überraschen und in Ihren eigenen Ansichten herausfordern!

Jürgen Czogalla, 07.08.2022

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