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Philosophisch-ethische Rezensionen
(Erscheinungsdatum der rezensierten Bücher: 20. und 21. Jahrhundert)

Kurt Remele, Es geht allen besser, wenn es allen besser geht. Die ethische Wiederentdeckung des Gemeinwohls, Ostfildern 2021

Zunächst einmal erzählt der Autor von dem Wirken des anglikanischen Bischofs David Sheppard und seinem katholischen Amtskollegen Derek Worlock, die sich gemeinsam zwischen 1976 und 1998 wegen der sozialen Probleme in ihrer Stadt Liverpool in den schwierigen Thatcherjahren engagiert haben. Das dient für das Buch als eine Art vorbildhaftes Beispiel für die gute Wirkung christlicher und katholischer Soziallehre, wobei Thema des Buches vorwiegend letztere ist. Es werden dann kirchliche Dokumente vorgestellt, die aus dem Liverpooler Engagement erwachsen sind (aus dem Englischen Raum). Dann wird in einem dritten Abschnitt der Gemeinwohlgedanke im katholische Denken näher ausgeführt und auf spezielle Fragen wie Klima, Umwelt, Wirtschaft, Migration, Corona-Pandemie, Gewalt in Partnerschaften und Ungleichheit eingegangen. In einem 4. Abschnitt plädiert der Autor für einen erweiterten Gemeinwohlbegriff, weg von einem Anthropozentrismus zu hin zu einer mehr anthroporelationalen Sichtweise (der Mensch wird zwar noch als Krone der Schöpfung angesehen, aber in inniger Verbundenheit und Angewiesenheit mit der Welt um ihn herum), wobei er letzteren aber auch noch korrigiert. Er argumentiert für eine vegetarische oder noch besser vegane Lebensweise und ist sich bewusst, dass er damit über die gängige katholische Soziallehre hinausschießt. In einem letzte Abschnitt arbeitet er dann noch zentrale Kriterien heraus, wie ein kirchlicher Einsatz für das Gemeinwohl heute aussehen sollte.

Das Buch ist populärwissenschaftlich und spricht, so mein Eindruck, wohl hauptsächlich engagierte Gemeindemitglieder an, die sich von den kirchlichen Dokumenten und den unvermeidlichen Papstaussagen, die hier immer wieder zitiert werden, wohl noch am meisten ansprechen lassen. Für der Kirche fernstehende Menschen sind gerade aber solche Art von Dokumenten suspekt, auf die hier immer wieder Bezug genommen wird. Eine Auseinandersetzung mit gegenwärtiger Philosophie findet weiniger statt, für den Autor negative Entwicklungen wie z.B. der Thatcherismus werden nur kurz abgewatscht. Damit beweist der Autor für mich, dass er für ein bestimmtes Milieu schreibt, bei dem er mit großer Zustimmung rechnen kann und bei dem er sich nicht großartig argumentativ rechtfertigen muss. Ein Produkt für die Insel. Das ist aber eigentlich schade, denn z.B. die katholische Soziallehre mit ihren Prinzipien (die viel zu wenig erklärt werden) wie Gemeinwohl, Personalität, Solidarität, Subsidiarität, Nachhaltigkeit und die Option für die Armen hat schon einiges Positives zu bieten, nur eben werben bei denen da draußen für diese Prinzipien sieht für mich anders aus als etwa fast nur synodale Dokumente oder den Papst als Ausgangsbasis zu zitieren. Das Buch liest sich aber gut und ist mir sympathisch und ich denke es verdient es darum auch gelesen zu werden. Geeignet vorzüglich für engagierte (katholischen) Christen.

Jürgen Czogalla, 13.03.2022.2022

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